
Foto: Anna Smirnova
Wie kann Nachhaltigkeit im Museum gelingen?
Von:
Julia Weger (WEGWEISER – Büro für nachhaltige Ideen), Schwarzenberg
Vor gut sechs Jahren hat es begonnen, dass Nachhaltigkeit Einzug in der Museumslandschaft gehalten hat. Seitdem gibt es fast keinen Museumstag mehr ohne einen Impuls oder Workshop dazu, Nachhaltigkeit wurde in die neu akkordierte Museumsdefinition aufgenommen, ein erweiterter Klimakorridor wird diskutiert, Leitfäden für nachhaltiges Ausstellen sind entstanden und die Zahl der mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Museen und Ausstellungshäuser zertifizierten Institutionen steigt ständig. Alles in allem eine unglaublich positive Dynamik, die derzeit im Kunst- und Kultursektor stattfindet.
Definitiv ein Grund zur Freude! Denn Kunst- und Kultureinrichtungen haben innerhalb der Gesellschaft eine besondere Verantwortung. Ihr Stellenwert in der Bildungslandschaft und das große Vertrauen, das sie genießen, ermöglichen es ihnen, bei den großen Herausforderungen wie der Klimakrise, dem Biodiversitätsverlust oder ökosozialen Krisen einen immens wichtigen Beitrag zu leisten. Neben der Vermittlungsarbeit ist es aber auch wichtig, dass eigene TUN zu hinterfragen und vorbildlich zu handeln.
Gerade letzteres ist jedoch schwerer, als man glaubt. Denn dafür ist es notwendig, Gewohntes, bisher Gelerntes und Funktionierendes zu hinterfragen und sich und sein Handeln selbstkritisch zu reflektieren. Nachhaltigkeit wird nicht selten mit Verzicht in Verbindung gebracht. Der Verzicht auf Kataloge, weniger Printeinladungen, keine opulente Materialschlacht bei Ausstellungen oder gar deren Reduktion! Dass das vermeintliche „Weniger“ oft ein „Mehr“ – zum Beispiel an Qualität – sein kann, wird ausgeblendet.
Wir setzen Verzicht mit Verlust gleich, der uns evolutionsbedingt Angst macht. Und Angst ist in der heutigen Zeit meist eine schlechte Beraterin. Sie lässt uns „davonlaufen“ oder Ausflüchte finden. Das stellt auch Klimapsychologe Thomas Brudermann in seinem Buch Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben (2022) anschaulich dar.
Seit sechs Jahren begleite ich als Beraterin Museen und anderen Kulturinstitutionen auf ihren Weg in eine nachhaltige Zukunft. Eine sehr erfüllende Aufgabe, bei der mir täglich Pioniergeist, Freude, Begeisterung und Mut, aber auch Tränen, Resignation und der Versuch, es sich mit „Ausreden“ leichter zu machen, begegnen. Und es zeigt sich, dass wir nun endlich vom WISSEN ins TUN kommen müssen. Nachfolgende sechs Punkte können dazu beitragen, dass Ihnen genau das, in Zukunft erfolgreich gelingt.
1. Entschluss fassen und feststellen, wo Sie stehen!
Eine gute Bestandsaufnahme ist der erste und zugleich wichtigste Schritt, den Sie gehen müssen. Um hier eine Metapher zu bedienen, kann man sagen, es ist wie beim Sport: Wenn nicht klar ist, was man leisten kann, ist die Erstellung eines Trainingsplans mit Zielvorgabe unmöglich.
Eine umfangreiche Ist-Analyse bedeutet ehrlicherweise einiges an Arbeit. Das akribische Zusammentragen von Zahlen, Daten und Fakten ist auch nicht jedermanns oder jederfraus Sache. Welche Zahlen sind relevant, wer kann diese liefern, was sagen sie schlussendlich aus? Alles Fragen, auf die es nicht immer eine schnelle Antwort gibt. Hat man den Dreh aber einmal raus, stellt sich erfahrungsgemäß nach dem anfänglichen Stöhnen eine freudvolle Sammelleidenschaft ein, die zu grandiosen Aha-Momenten führen kann. Und diese Momente tragen eindeutig dazu bei, schnell ins TUN zu kommen.
2. Handlungsfelder identifizieren & priorisieren
Damit Maßnahmen eine möglichst große Wirkung erzielen, muss zuerst definiert werden, was für Ihr Museum überhaupt relevant ist. Frust ist hier allerdings oft vorprogrammiert. Etwa weil die wirkungsvollsten Maßnahmen – zum Beispiel der Austausch der Klimaanlage, die Umrüstung auf LED oder die PV-Anlage am Dach – ein kleines Vermögen kosten oder etwa aus Gründen des Ortsbildschutzes nicht genehmigt wird.
Um so wichtiger ist es, dass man hier nicht beim sogenannten „moralischen Lizenzieren“ hängen bleibt: Zu glauben, dass viele kleine gute Taten die großen klimaschädliche Auswirkungen aufwiegen können. [1] Natürlich ist es der Motivation zuträglich, dass wir mit leichten Dingen anfangen. Aber wir brauchen den Weitblick und das Verständnis für die „großen Würfe“. Daher ist es wichtig, sich für die ersten beiden Punkte ausreichend Zeit zu nehmen und wenn möglich den Blick von außen zuzulassen. Denn nur nach einer sorgfältigen Auseinandersetzung steht einer sinnvollen und freudvollen Umsetzung nichts im Weg.
3. Gemeinsam auf den Weg machen!
Nachhaltigkeit ist immer Teamarbeit. Im globalen Kontext genauso wie im Museum. Beziehen Sie wirklich ALLE mit ein – vom Reinigungspersonal über die Technik, die Kurator:innen bis hin zur Direktion. Und Sie dürfen und sollen sich auch über die Grenzen des eigenen Museums hinaus vernetzen. Denn Kollaboration ersetzt Konkurrenz. Es ist immens wichtig, voneinander zu lernen und Erfahrungen – auch negative – auszutauschen. Formate der ARGE Museums for Future im Museumsbund Österreich sind dafür ganz wunderbare Plattformen.
Reden Sie über das, was sie TUN. Tragen Sie den Prozess hinaus in die Welt, aber investieren Sie mindestens genau so viel Zeit und Ressourcen für die Kommunikation nach innen. Ihr Team muss wissen, was passiert. Dadurch steigt die Akzeptanz und mit der Zeit beteiligen sich immer mehr Mitarbeitende am Prozess.
4. Erreichbare Ziele stecken
Stecken Sie sich erreichbare Ziele. Sehr oft ist man zu Beginn des „Nachhaltigkeitsweges“ euphorisch und sehr motiviert. Was auch gut ist. Aber man neigt dann gerne zur Selbstüberschätzung und will oftmals gleich die ganze Welt retten. Sind alle Ziele zu ambitioniert oder ohne rasche Erfolgsaussichten, kann es schnell frustrierend werden. Es braucht eine gute Mischung aus sogenannten „Low-hanging Fruits“, den einfach und schnell umsetzbaren Maßnahmen und der sorgfältigen und verlässlichen Planung von großen stark wirksamen Maßnahmen (siehe Punkt 2).
5. Loslegen & TUN
Loslegen und einfach machen. Sie müssen nicht perfekt sein, aber wir alle müssen zum jetzigen Zeitpunkt TUN, um voranzukommen. Verschiedenste Tools wie etwa das Österreichische Umweltzeichen oder ekart.at helfen dabei und ermöglichen es, das eigene Handeln strukturiert sichtbar zu machen. Eine Prise Mut darf hier nicht fehlen. Probieren Sie nachhaltige Maßnahmen aus und sammeln Sie die Reaktionen darauf. Zum Beispiel, ob ein QR-Code die Erklärung zum Ausstellungsrundgang ersetzen kann oder ob der Ausstellungskatalog auch digital funktioniert. Gerade dann, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Akzeptanz und Wirkung eintreten, kann eine zeitlich begrenzte „Probier-Phase“ sinnvoll sein und wertvolle Erkenntnisse liefern. Je nach Maßnahme kann diese zwei Wochen bis zwei Jahren dauern. Und ganz wichtig: Gestehen Sie sich zu, auch scheitern zu dürfen.
6. Seien Sie stolz!
Freuen Sie sich über Ihre Erfolge! Seien Sie stolz darauf, dass Sie die ersten Schritte des Weges schon gegangen sind. Und geben Sie diese Wertschätzung und Freude an Ihr Team weiter. So kann es gelingen, dass so manch' Nachhaltigkeitsmuffel zum:zur glühenden „Ideengärtner:in“ wird.
Und zum Schluss: Nachhaltigkeit ist nichts, was bitterernst sein muss. Sie soll Freude bereiten und ein gutes Leben für uns alle möglich machen. Das dürfen Sie auch feiern!
Abschließen kann ich Ihnen nur noch mitgeben: Um ins TUN zu kommen und wirklich nachhaltig zu wirken, brauchen Sie das Wissen, um die richtigen Schritte zu setzen, Inspiration für gute Ideen und Mut, um die Dinge umzusetzen. Am besten gelingt das GEMEINSAM und mit gegenseitiger UNTERSTÜTZUNG. Dann sind die wirkungsvollen Schritte auf dem Weg zu einem nachhaltigen Museumsalltag gar nicht mehr so schwer.
Credits und Zusatzinfos:
Fußnote:
Thomas Brudermann, „Was steckt hinter Klimaausreden“, TEDxHaslach, in: https://www.youtube.com/watch?v=yaAf-rNkgJQ, ab Min. 4:44 (15.04.2024)
Zitat
Fußnote:
Thomas Brudermann, „Was steckt hinter Klimaausreden“, TEDxHaslach, in: https://www.youtube.com/watch?v=yaAf-rNkgJQ, ab Min. 4:44 (15.04.2024)
Zitat
Julia Weger: Wie kann Nachhaltigkeit im Museum gelingen?, in: neues museum 24/3, www.doi.org/10.58865/13.14/243/2.