
Museum St. Peter an der Sperr Foto: Museums St. Peter an der Sperr, M. Weller
Vom Geheimtipp zum Kultur-Hotspot: Geschichte to go
Von:
Julia Schlager (Direktorin, Museum St. Peter an der Sperr), Wiener Neustadt
Eigentlich sollte man meinen, dass das Museum St. Peter an der Sperr, vormals Stadtmuseum, mit seinem 200-jährigen Bestehen tief im Bewusstsein der Stadtbevölkerung verankert ist. Weit gefehlt, denn Wiener Neustadt besitzt zwar fest eingesessene „Ureinwohner:innen“, ist aber gleichzeitig von einem starken Zuzug geprägt. Nur sehr langsam entwickelt sich in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Schätze, die im Museum aufbewahrt werden. Viel wichtiger ist aber, dass erkannt wird, dass sich mit dem Museum und seinen zahlreichen Standorten eigentlich ein Freizeittempel vor der Haustüre befindet, in dem man ein sehr bunt gefächertes Programm geboten bekommt.
Eine Wiedergeburt
Doch beginnen wir von vorne. Der Wendepunkt kam für das Museum St. Peter an der Sperr mit der Niederösterreichischen Landesausstellung im Jahr 2019. In diesem Jahr hat die Stadt das Museum gefunden, oder besser gesagt, erkannte die Stadtpolitik das Potenzial kultureller Einrichtungen, die nicht nur das kulturelle Bedürfnis der Bevölkerung stillen, sondern weit über die Stadtgrenzen Publikum anlocken und dadurch indirekt die Innenstadt beleben. Dies klingt jetzt so, als wäre Wiener Neustadt vor 2019 kulturelles Ödland gewesen. Nein, so kann man das nicht sagen. Das Stadtmuseum „dümpelte“ – ohne es despektierlich zu meinen – mit einem relativ geringen Budget am Radar sehr interessierter Besucher:innen herum, bot großartige Ausstellungen und organisierte zahlreiche Konzerte. Die Landesausstellung war für die Politik eine Initialzündung, die budgetäre Situation zu ändern, so den Bekanntheitsgrad zu steigern und diesen Schwung in die Zukunft mitzunehmen.
Ungünstigerweise kam dann Corona und scheinbar war man wieder zurück am Start.
Auch das klingt härter als es tatsächlich war, schließlich war 2020 für alle Kulturbetriebe ein Jahr der Einschnitte und Neuorientierung. Das Stadtmuseum, seit der Wiedereröffnung 2020 Museum St. Peter an der Sperr genannt, hat es geschafft, sich neu zu erfinden und ein vielschichtiges Programm zu kreieren, das ein sehr diverses Publikum anspricht. Eine Besuchssteigerung von knapp 3.000 Eintritten 2020 auf 12.000 im Jahr 2024 spricht für sich. Fasst man das gesamte Angebot der vom Museum veranstalteten Programme zusammen, haben 2024 rund 25.000 Besucher:innen Museum „konsumiert“, das ist, wenn man so will, die Hälfte der Einwohner:innenzahl Wiener Neustadts. Der Großteil der Besucher:innen kommt aus dem weiteren Umland der Stadt.
Wo findet Museum Stadt?
In Wiener Neustadt findet Museum nicht nur im Museum St. Peter an der Sperr statt. In der Hauptausstellung neuStadt erzählen dürfen die Objekte der städtischen Sammlung sprechen. Sie erzählen die Stadtgeschichte anhand diverser Kunst- und Alltagsgegenstände aus acht Jahrhunderten. Spannend ist sie, diese Stadtgeschichte – erhob sich die Stadt, wie auch das Museum, doch zweimal wie der Phönix aus der Asche. Das erste Mal, als sie vom Babenbergerherzog Leopold V. im unwirtlichen Steinfeld gegründet wurde, teilfinanziert durch das Lösegeld der wohl unverschämtesten Gefangennahme der Geschichte – ja genau, die Gefangennahme von Richard Löwenherz; das zweite Mal, als die stark bombardierte Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut wurde. Dazwischen war sie Residenzstadt Kaiser Friedrichs III., Geburtsstadt und Begräbnisort Kaiser Maximilians I., Schauplatz spektakulärer Prozesse und Hinrichtungen und dann gibt es natürlich auch noch die Bewohner:innen, über die es auch viel zu erzählen gibt, nicht so weltpolitisch bedeutend, aber dennoch spannend. Gleich für die Eröffnungsausstellung Wiener Neustadt packt aus wurden die Bewohner:innen der Stadt um ihre Erinnerungen gebeten. Sie konnten ihre Erinnerungsstücke mit den dazugehörigen Geschichten bringen. Die Objekte wurden gemeinsam mit den Geschichten in Vitrinen präsentiert. Was anfangs ein bisschen schleppend für die Kuratorinnen begann, endete in einer wundervollen Ausstellung, die im Lauf der Zeit weitergewachsen ist, da immer wieder Besucher:innen gefragt haben, ob sie nicht auch etwas bringen dürfen. Der Stolz der Leihgeber:innen war nie zu übersehen, als sie ihre Erinnerungen museal präsentiert sahen.
Ergänzt wird das Ausstellungsprogramm durch wechselnde Kunstausstellungen, historische Ausstellungen und Mitmachausstellungen für Kinder.
Und weil es so viel über Wiener Neustadt zu erzählen gibt, bespielt das Team des Museums noch zahlreiche andere Standorte in der Stadt. Seit 2019 vermittelt das Team des Museums Stadtgeschichte im Rahmen von Themenspaziergängen durch die Innenstadt: Geschichte to go. Hierbei ist die Stadt selbst Kulisse für Erzählungen. Unzählige historische Gebäude und Denkmäler warten darauf von Besucher:innen entdeckt zu werden. Selbst eingefleischte Wiener Neustädter:innen gehen nach den Stadtspaziergängen mit ganz anderen Augen durch die Stadt. Bei Vermittlungsprogrammen im Liebfrauendom und im Stift Neukloster stehen die beiden Gebäude im Vordergrund – vor allem kunsthistorisch betrachtet, aber immer mit Blick auf die Stadtgeschichte.
In den Kasematten dürfen die mächtigen Gemäuer sprechen. Die ebenfalls als Landesausstellungsstandort genutzten Räumlichkeiten wurden großartig revitalisiert. Die Ausstellung Die Stadt als Festung erzählt die Stadtgeschichte aus Sicht der Befestigungsanlagen und beleuchtet die Entwicklung von einer einfachen Stadtmauer mit Wassergraben bis hin zu mächtigen Bastionen und präsentiert Ausgrabungsfunde, die während der Umbauarbeiten gefunden wurden.
Im jüngsten musealen Standort, dem Schau!Depot, können die Besucher:innen am einfachsten partizipieren. Zum einen regen die Objekte selbst, zum anderen regt die Art der Präsentation an, Geschichten und Erinnerungen zu teilen. Neben Einblicken in die Depotarbeit eines Museums widmet sich dieser Standort der Alltags- und Arbeiter:innengeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Objekte aus Alltag, Handwerk, Industrie und Politik stammen aus dem früheren Industrieviertelmuseum, das bis 2019 in einer schlecht erreichbaren Hammerschmiede untergebracht war. Mit der Neukonzeption wurde die Sammlung in die Innenstadt verlegt und die Museumslandschaft um eine neue Erzählung der Stadtgeschichte erweitert.
Wer findet das Museum in der Stadt?
So weit, so gut, wer sind nun die Menschen, die das Museum finden? Sehr viele, sehr unterschiedliche Besucher:innen aller Altersklassen werden vom abwechslungsreichen Ausstellungsprogramm angelockt – Geschichtsinteressierte, Kunstinteressierte, Einheimische, Tourist:innen. Und dann sind da noch die Schulklassen, nicht nur aus Wiener Neustadt, sondern auch aus der weiteren Umgebung, die unser Haus aufsuchen. Diese entwickeln sich langsam, aber sicher zu einem unserer wichtigsten Multiplikatoren. Wir essen die Welt, Seifenblasenträume. Von Kopf bis Fuß, Mit und ohne Worte und 2025 die Ausstellung Was wird morgen sein? locken – zusätzlich zu unserem breit gefächertem Workshopprogramm – mit altersgerechter Wissensvermittlung. Seit 2023 zeigen wir die Mitmachausstellungen in Kooperation mit dem ZOOM Kindermuseum Wien und der Erfolg gibt uns Recht. Die Kinder kommen wieder – mit Eltern, Großeltern und Freunden. Mehr kann sich ein Museum nicht wünschen.
Alles innerhalb einer Mauer
Alle musealen Einrichtungen, die vom Museum betreut werden, liegen innerhalb einer Mauer, der mittelalterlichen Stadtmauer, die die heutige Innenstadt mit ihren drei Fußgängerzonen umschloss. So wie in vielen anderen Städten kämpft die Innenstadt mit Leerständen und leidet unter großen Einkaufszentren am Stadtrand. Eine Wiederbelebung der Innenstädte durch Kultureinrichtungen ist vielleicht ein zukunftsweisender Weg. Natürlich gibt es für uns noch viel Potenzial auszuschöpfen und wir sind noch lange nicht am Ende der Geschichte angelangt. Schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Ideen gibt es genug.
Credits und Zusatzinfos:
Empfohlene Zitierweise
Julia Schlager: Vom Geheimtipp zum Kultur-Hotspot: Geschichte to go, in: neues museum 25/3, www.doi.org/10.58865/13.14/253/2
Empfohlene Zitierweise
Julia Schlager: Vom Geheimtipp zum Kultur-Hotspot: Geschichte to go, in: neues museum 25/3, www.doi.org/10.58865/13.14/253/2