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Originale aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern
Von: Andrea Brait (Universität Innsbruck: Institut für Zeitgeschichte/Institut für Fachdidaktik), Wien/Innsbruck

Sachquellen im Geschichtsunterricht

Quellen sind, wie Hans-Jürgen Pandel es ausdrückt, „Grundlage und Ausgangspunkt historischen Denkens“[1]. Obwohl die Arbeit mit Quellen, v. a. jene mit Textquellen, nicht bei allen Lernenden sehr beliebt ist, gehört sie heute „zu den wenigen fast völlig unumstrittenen Grundprinzipien schulischer Geschichtsvermittlung“[2]. 

Im österreichischen Geschichtsunterricht erfolgte die Wende hin zur Quellenorientierung später als in Deutschland. Seit den 2000er-Jahren fordern die Lehrpläne jedoch durchgehend, dass sich die Lernenden eigenständig mit Quellen befassen. Allerdings wird in den Klassen sehr selten mit Sachquellen gearbeitet, wiewohl Forschungen gezeigt haben, dass Lernende diese besonders wertschätzen,[3] eigenständig Fragen generieren, diese zum Ausgangs- punkt ihrer Quelleninterpretation machen und auf dieser Basis Geschichte re-konstruieren.[4]
 
Originale im Museum 

Der Stellenwert von Sachquellen ist in Museen hingegen unumstritten. Das Narrativ einer Ausstellung wird zwar von verschiedenen Faktoren bestimmt, doch sind Originale der Museumsdefinition des International Council von Museums (ICOM) folgend konstitutiv für die Institution und für das Lernen in derselben.[5] Wie Martin Schlutow ausführt, ist die Authentizität der Exponate „das entscheidende Charakteristikum, welches das Museum vom Geschichtsschulbuch oder anderen Medien, die sich mit Geschichte auseinandersetzen, unterscheidet“[6]. 
Allerdings führt das Betrachten von Objekten allein noch zu keinem historischen Lernen bzw. zu keiner Ausbildung eines reflek- tierten Geschichtsbewusstseins.[7] Um historisches Lernen im Museum zu ermöglichen, braucht es daher, wie Roman Weindl zu Recht betont, „fundierte museumspädagogische Konzepte, die eine kritische Begegnung mit den in den Museen gesammelten, bewahr- ten und ausgestellten historischen Überresten ermöglicht, anstatt sie als reine ‚Beeindruckungsdinge‘ zum Gegenstand irrationaler, auratischer Verehrung zu machen“.[8]
 
Historisches Lernen mit Museumsobjekten 

Im Rahmen des Projekts „Historisches Lernen zwischen Schule und Museum“ wurden unter anderem Lernende (n = 202) nach einem Museumsbesuch gebeten, das Gelernte niederzuschreiben.[9] Die Analyse der Texte zeigt sehr deutlich, dass der Museumsbesuch zum größten Teil positiv bewertet wird. Die ausgestellten Objekte sind in den Texten der Lernenden sehr präsent: Von den 202 Lernen- den erwähnen 141 Objekte; von fünf Texten abgesehen, finden sich positive Bewertungen oder Erwähnungen ohne Bewertung. Dabei wird deutlich, dass insbesondere Großobjekte eine gewisse Faszination auslösen, was freilich durch die museale Inszenierung und die Vermittlung gefördert wird. 

Wie in einem Text festgehalten wurde, wurden die Objekte auch förderlich für das historische Lernen erachtet: „Das Museum hat einen durch die vielen schönen alten Gegenstände besser verstehen zu geben wie und was früher passiert war.“[1]0 In vielen Texten wurde zwar nur das wiedergegeben, was im Zuge eines Vermittlungsprogramms zu den Objekten erklärt wurde, doch zeigen einzelne Texte von Lernenden, die sich im Museum autonom mit diesen befasst haben, dass eine eigenständige Re-konstruktion von Geschichte möglich ist. So wurde beispielsweise in einer Performanz festgehalten: „Ich habe in dem Museum einiges über die Kriege in Innsbruck heraus gefunden. Die Leute hatten auf den Gemälden oft nichts zu essen und sahen sehr abgemagert aus.“[11] 
Eigenständiges Beschäftigen mit den Objekten ist jedoch nicht nur als förderlich für historisches Lernen, sondern wird auch von den Lernenden überaus geschätzt. So heißt es beispielsweise in einem Text: „Auch das selbstständige lernen/erkunden und den Rest der Klasse danach informieren war aufregend.“[12] 

Fazit

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Wert von Originalen für das historische Lernen unbestritten ist. Zumal im Geschichtsunterricht aus verschiedenen Gründen (Verfügbarkeit, fehlende Präsenz in den didaktischen Überlegungen etc.) selten mit Sachquellen gearbeitet wird, sind Museen unverzichtbare außerschulische Lernorte. Vermittlungsprogramme, die ein eigenständiges Erforschen der Objekte ermöglichen, bieten enorme Chancen für historisches Lernen. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport geförderten Projekts Schule im Museum. Lehrplanrelevante Vermittlungsformate aus österreichischen Museen werden Workshops für Museen angeboten, die diese Potenziale für den Geschichtsunterricht aufzeigen. Bei Interesse freut sich das Projektteam unter programm@schule-im-museum.at auf eine Nachricht. 

Credits und Zusatzinfos: 
[1]  Hans-Jürgen Pandel, Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2000, S. 10. 
[2]  Christian Spieß, Quellenarbeit im Geschichtsunterricht. Die empirische Rekonstruktion von Kompetenzerwerb im Umgang mit Quellen (= Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 8), Göttingen 2014, S. 13. 
[3]  Stéphanie Demers, David Lefrançois, Marc-André Ethier, „Understanding agency and developing historical thinking through labour history in elementary school: A local history learning experience“, in: Historical Encounters 2 (2015) 1, S. 34–46, hier S. 42. 
[4]  Matthias Martens, Barbara Asbrand, Christian Spieß, „Lernen mit Dingen – Prozesse zirkulierender Referenz im Unterricht“, in: Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung 4 (2015), S. 48–65, hier S. 59 f. 
[5]  Margaret E. Evans, Melinda S. Mull, Devereaux A. Poling, „The Authentic Object? A Child's-Eye View“, in: Scott G. Paris (Hg.), Perspectives on Object-Centered Learning in Museums, New York, NY 2010, S. 55–77, S. 55. 
[6] Martin Schlutow, Das Migrationsmuseum. Geschichtskultu- relle Analyse eines neuen Museumstyps (= Geschichtskultur und historisches Lernen 10), Berlin 2012, S. 32.
[7| Olaf Hartung, „Aktuelle Trends in der Museumsdidaktik und ihre Bedeutung für das historische Lernen“, in: Vadim Oswalt, Hans-Jürgen Pandel (Hg.), Geschichtskul- tur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart, Schwalbach/Ts. 2015, S. 153–173, hier S. 169.
[8] Roman Weindl, Die „Aura“ des Originals. Über den Zusammenhang von Authentizität und Besucherinteresse, Bielefeld 2019, S. 274.
[9] Zu den Ergebnissen: Andrea Brait, Museumsbesuche im Geschichtsunterricht. Eine Studie zum historischen Lernen im Zuge von Besuchen der österreichischen Landesmuseen, Innsbruck 2020 (ungedruckte Habilitationsschrift). 
[10] AHS_NÖ_A_5. 
[11] AHS_Tirol_C_2. 
[12] AHS_Tirol_A_11 
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