Oberhaus am Zürichsee, Feldbach, Foto: Martin Zeller
Obacht Deakzession!
Chancen und Herausforderung für die Ausstellung Oberhaushof
Von:
Edith Werffeli (Projektleitung und Kulturanthropologin), Feldbach (CH)
Das Oberhaus am Zürichsee wurde 1743 erbaut und wird seither von der Familie Bühler bewohnt. Im Lauf der Jahrhunderte haben sich über 80.000 Alltagsobjekte angesammelt, anhand derer sich die Geschichte des Hoflebens und der Region seit der vorindustriellen Zeit nachempfinden lassen. Alles der Öffentlichkeit zugänglich machen oder doch entsorgen?
Dieser Beitrag beschreibt einzigartig, wie Familienbestände nachhaltig erhalten und der zivilen Bevölkerung zugänglich gemacht werden.
Das Oberhaus in Feldbach am Zürichsee ist eine wahre Schatzkammer. Ein Haus, in dem Tausende von Alltagsgegenständen, Briefen, Dokumenten, Fotos lagern – alles fein säuberlich geordnet. Es sind die Überbleibsel von Mitgliedern der Familie Bühler, die auf dem Oberhaushof zwischen 1743 und 2014 wohnten und ein exemplarisches Abbild der ländlichen Oberschicht zeigen. Das historische Anwesen umfasst das 1743 erbaute Oberhaus sowie weitere Gebäude und rund zehn Hektar Landwirtschaftsland am rechten Zürichseeufer in der Schweiz. Seit seiner Errichtung ist der Hof im Besitz der Familie Bühler und wurde über drei Jahrhunderte von ihr bewohnt und bewirtschaftet.
Das Oberhaus ist nicht nur durch die historischen Artefakte, sondern auch durch seine bauliche Substanz von großer Bedeutung. Teile des Gebäudes, insbesondere das 2. und 3. Obergeschoss sowie der Giebel, sind noch weitgehend im Originalzustand erhalten – einzig elektrisches Licht und ein Unterdach wurden ergänzt. Die anderen Etagen wurden im Laufe der Zeit renoviert, wobei stets die denkmalpflegerischen Grundsätze beachtet wurden. Die Eigentümer des Oberhaushofes haben sich entschieden, im Oberhaus zwei Nutzungen zu etablieren. Da die Liegenschaften nur dauerhaft erhalten werden können, wenn sie auch Erträge erwirtschaften, wurde in den letzten drei Jahren im Hochparterre und dem 1. Obergeschoss ein Bed & Breakfast errichtet. Ausgewähltes Mobiliar und Alltagsgegenstände wurden für das „B&B Oberhaushof“ verwendet und sind nun für Gäste am originalen Schauplatz erlebbar. Die weiteren Obergeschosse werden der Stiftung „Erhalt Lebensspuren Oberhaushof“ langfristig kostenlos zur Verfügung gestellt, welche so einen Großteil der Objekte der „Ausstellung Oberhaushof“ auf über 600 m² der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Während die Alltagsgegenstände mehrheitlich im Oberhaus verbleiben, wurde das Familienarchiv bewertet und 2022 ins Staatsarchiv überführt, wo es konservatorisch aufbereitet und erschlossen wird. Die Unterlagen im Familienarchiv bilden über zweihundert Jahre Geschichte einer bäuerlichen Familie der Oberschicht am oberen Zürichsee ab, bezogen auf zahlreiche Lebensbereiche (Verwandtschaft, Ökonomie, Politik, Ämter, Arbeit, insbesondere Frauenarbeit usw.) und sind zukünftig beispielsweise für Forschungszwecke zugänglich. Auch die Stammbäume ab 1451 wurden in die Genealogiedatenbank Ancestry überführt. Die inventarisierten Alltagsgegenstände werden in den vorgesehenen Räumen der „Ausstellung Oberhaushof“ am Originalschauplatz ausgestellt und in einer digitalen Datenbank ebenfalls für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Die „Ausstellung Oberhaushof“ hebt sich deutlich von gängigen Museen ab, da sie über 80.000 personifizierte Objekte von zehn Generationen präsentiert, die aus einem Familienbestand in über 250 Jahren gewachsen sind.
Als Kulturanthropologin begegne ich in meiner Arbeit immer häufiger den Themen Nachhaltigkeit und Wiederverwendung, die auch im Museumswesen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die spannende Herausforderung besteht darin, diese Prinzipien konkret in einer Ausstellung umzusetzen – zum Beispiel bei der neu kuratierten Ausstellung auf dem Oberhaushof. Daher entschied ich mich gemeinsam mit den Eigentümer:innen, von den 80.000 Gegenstände über 8.000 zu entsammeln. Dies einerseits aus Platzgründen, für eine gelungene Übersicht und Anordnung der Objekte, aber auch um die Nachhaltigkeit der Ausstellung zu gewähren.
Mit meinem Team machte ich mich im Frühling vor zwei Jahren daran, die über 80.000 im Oberhaus angesammelten Alltagsobjekte umzuplatzieren und neu zu kuratieren. Eine große Vorarbeit leistete Rosmarie Bühler-Wildberger, die nach der Heirat mit Albert Bühler 1961 ins Oberhaus kam. Fasziniert von der Fülle hat sie die Alltagsgegenstände ihrer Vorfahren geordnet, ausgestellt und archiviert. Die unglaubliche Menge an Spielsachen, Kinderkleidern, Handarbeiten, Werkzeugen, Gemälden und vielem mehr musste neu platziert, sinnvoll angeordnet und der Auftritt der Ausstellung professionalisiert werden. Ich stand vor der Herausforderung, einen sinnigen Deakzessionskatalog zu erstellen und nach meinen erstellten Kriterien die über 8.000 Objekte zu entsammeln. Dabei waren beispielsweise Kriterien wie: keine Verdoppelungen, Zustand des Objekts, ehemalige:r Besitzer:in ist bekannt, Objekt passt zu den Themenbereichen der Ausstellung.
Neben der nachhaltigen Inszenierung war mir wichtig, dass die Ausstellung Oberhaushof einen zeitlosen und professionellen Auftritt erhält. Ganz ohne Neuanschaffungen ging es nicht. Minimaler szenografischer Eingriffe, beispielsweise erhielten die Ausstellungsflächen punktuell einen neuen, hellen Anstrich. Auch die Ausstellungsbeschriftung wird erneuert und teilweise mit QR-Codes versehen, die eine Verlinkung zu den Dokumenten im Staatsarchiv ermöglichen. Moderne Beleuchtung wird installiert, um die Objekte und historischen Räume ins beste Licht zu rücken. Unsere Entscheidung, über 8.000 Objekte zu entsammeln, ermöglichte eine übersichtlichere Präsentation der Objekte sowie Platzersparnis. In diesem Sinne zeigte sich wieder einmal, dass weniger mehr ist.
Credits und Zusatzinfos:
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Edith Werffli: Obacht Deakzession! Chancen und Herausforderung für die Ausstellung Oberhaushof, in: neues museum 24/3, www.doi.org/10.58865/13.14/243/4.