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Wander-Version der Ausstellung Klimaversum, Foto: Klimabündnis Steiermark
Nachhaltigkeit im Ausstellungskontext
Herausforderungen, Maßnahmen und Perspektiven aus der Praxis
Von:
Sabine Fauland (Museumsbund Österreich), Online
In der ARGE Nachhaltiges Museum stand am 23. April 2025 der Austausch nachhaltiger Ausstellungspraxis am Programm. Der Fokus lag auf der Umsetzung von Nachhaltigkeit im Ausstellungsbetrieb, auf Fehlversuchen, strukturellen Herausforderungen sowie der Messbarkeit und Kommunikation nachhaltiger Maßnahmen.
Nachhaltige Ausstellungen – Materialien, Laufzeit, Logistik
Ein zentrales Thema war der ressourcenschonende Umgang mit Materialien und Ausstellungsinfrastrukturen. Bettina Deutsch-Dabernig (KIMUS Kindermuseum Graz GmbH, Graz) berichtete von der Ausstellung Mist?!, die vollständig aus Abfallmaterialien gestaltet wurde: „Uns war von Anfang an klar, dass die Ausstellung aus Abfall bestehen muss“, erklärte sie. Die Umsetzung sei jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden gewesen – insbesondere im Hinblick auf Sicherheit, Hygiene und Brandschutz. Trotz dieser Schwierigkeiten wurde das Projekt erfolgreich realisiert und wurde als Wanderausstellung im Anschluss von der Abfallwirtschaft Kärnten übernommen. Wanderausstellungen sind bereits als Konzept ein nachhaltiges Modell: „Unsere Ausstellungen sind teilweise über zehn Jahre unterwegs. So erreichen wir noch mehr Besucher:innen und sparen Materialressourcen.“
Katia Huemer (Kunsthaus Graz) betonte die konsequente Wiederverwendung modularer Wandsysteme und sprach über das häufige Fehlen konkreter institutioneller Ziele: „Wir machen viel, aber ohne klare strategische Zielvorgaben.“ Einfacher sind grüne Ziele zu erreichen, wenn sie mit konkreten Kunstprojekten verbunden sind, wie bspw. eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Hauses, deren Energie eine Kunstinstallation mitversorgte. Auch die Zusammenarbeit mit eine örtlichen Materialbörse (circulART) klappt gut: Nicht mehr wieder verwendbare Materialien werden dort weitergeben.
Sofia Rauzino (Museum der ModerneSalzburg) berichtete über den Versuch, eine Ausstellung ohne Trockenbauwände zu realisieren. Auf den großen Ausstellungshallen ist es notwendig, immer wieder Wände einzuziehen. Trockenbauwände sind kaum wiederzuverwerten und ein Modulsystem ließ sich leider nicht verwirklichen. Zudem experimentiert das Team mit alternativen Wandbeschriftungen – von Kartonplatten bis Wanddruckern. Ziel sei es, auch diesen Bereich schrittweise zu entplastifizieren. Der Wanddrucker ist noch nicht ganz ausgereift für den Einsatz in Ausstellungen: Bei Fehlern muss die Wand neu gestrichen werden und von vorne begonnen werden, außerdem braucht es für jeden Text den Einsatz von Techniker:innen.
Die nachhaltigste Ausstellung ist eine Ausstellung mit langer Laufzeit!
Fehler und Lernprozesse – Nachhaltigkeit als Entwicklungsweg
Julia Weger (Wegweiser – Büro für gute Ideen, Schwarzenberg) plädiert für eine ehrliche Fehlerkultur und dafür, über Schwierigkeiten und gescheiterte Versuche zu sprechen – denn genau hier entstehen oft die wichtigsten Lerneffekte: „Die Welt lernt an vielen Ecken – aber nicht jeder muss denselben Fehler machen.“ Bettina Deutsch-Dabernig brachte ihre Erfahrungen aus einer Kooperation mit National Geographic ein, bei der versucht wurde, Trägermaterialien aus wiederverwerteten Aluminium-Druckplatten zu nutzen. Diese sollten anstelle von neu produziertem Kunststoff verwendet werden. „Wir hatten wirklich gehofft, ein völlig abfallfreies System zu schaffen – aber es hat nicht funktioniert“, erklärte sie. Die Drucke waren fehlerhaft, verschoben sich stark, und die visuelle Qualität entsprach nicht den hohen Vorgaben des Leihgebers. „Wir mussten auf Kartonmaterial umsteigen – das war frustrierend.“
Auch Katia Huemer berichtete von einem gescheiterten Pilotprojekt: Gemeinsam mit einem Verpackungszentrum in Graz wollte man eine biologisch abbaubare Zelluloseverpackung für Kunsttransporte testen: „Das Vorhaben ist aus mehreren Gründen gescheitert – zunächst wegen restauratorischer Bedenken, letztlich auch wegen der erheblichen Mehrkosten.“
Trotz dieser Rückschläge herrschte Einigkeit darüber, dass genau diese Situationen wichtig sind, um nachhaltige Prozesse weiterzuentwickeln. Christiane Rainer brachte es auf den Punkt: „Wir müssen diese Zielkonflikte sichtbar machen – zwischen kreativem Impuls und ökologischer Verantwortung.“
Statt Greenwashing fällt das Wort Limits– auch im Hinblick auf Erwartungsdruck durch Fördergeber und die eigene Leitungsebene. Miriam Szwast (Kuratorin, Ökologie und Sammlung Fotografie, Museum Ludwig, Köln) formulierte es so: „Nachhaltigkeit bedeutet auch, den Schmerz des Umdenkens auszuhalten.“
Verantwortung in Strukturen – Nachhaltigkeit institutionell verankern
Miriam Szwast stellte auch grundsätzliche Fragen: „Was muss eine Ausstellung heute leisten – und wie verändert sie eine Institution?“ Ihre Vision reicht über einzelne Projekte hinaus: Nachhaltigkeit müsse strukturell mit- und sozial gedacht werden – in Prozessen, Zuständigkeiten und Personalentwicklung. Szwast beschreibt eine Transformation von innen heraus: „Wir haben Kolleg:innen weitergebildet, nicht nur zu Klimathemen, sondern auch in gewaltreier Kommunikation und Achtsamkeit.“ Nicht alle Besucher:innen stehen dem Thema Nachhaltigkeit offen gegenüber, auch sie müssen eingebunden werden, das ist nicht immer konfliktfrei. Die Expertisen, mit denen Mitarbeiter:innen ans Haus kommen, reichen heute nicht mehr für die Museumsarbeit aus. Ziel sei ein Haus, in dem Verantwortung auf viele Schultern verteilt ist – „nicht die eine Nachhaltigkeitsbeauftragte, sondern viele Menschen, die ihre Kompetenz in ihr eigenes Arbeitsfeld einbringen“, sagt Szwast. Auch ans Mitarbeiter:innenwohl muss gedacht werden! Szwast versucht, im Ausstellungsbudget Geld explizit für Mitarbeitendenwohl einzuplanen – etwa für Obst, Angebote wie Meditation oder Yoga. „Es sind keine großen Investitionen, aber sie zeigen, dass wir uns umeinander kümmern.“
Darüber hinaus wird das Ausstellungsbudgets bewusst genutzt, um längerfristige Infrastruktur zu schaffen – wie etwa einen Dachgarten. Nachhaltigkeit verursacht auch Spannungen: „Wir haben versucht, nachhaltige Gestaltung sichtbar zu machen. Das kam bei vielen gut an – aber wir haben auch Fördermittel verloren, weil gesagt wurde: Das ist zu politisch.“ Der Spagat zwischen Gestaltung, Wirkung und Erwartung bleibt eine Herausforderung.
Elisabeth Vallazza (Südtiroler Archäologiemuseum, Bozen) verfolgt einen pragmatischen Ansatz: Ausstellungsmöbel und -elemente werden jährlich neu kombiniert und mehrfach wiederverwendet. Die freie Ausstellungszeit wird zu einem freien Raum für Besucher:innen, in dem sie sich ausruhen, sich mit Inhalten beschäftigen können. Einzelne Sammlungsobjekte begleiten sie dabei.
Kreislaufwirtschaft und Messbarkeit von Nachhaltigkeit
Christiane Rainer untersuchte die Wiederverwendung von mitteldichten Holzfaserplatten (MDF) und berechnete die eingesparten CO₂-Äquivalente. „Auch kleine Mengen haben einen messbaren Effekt“, erklärte sie. Ihr Appell: Es brauche eine stärkere Argumentation auf ökonomischer Basis – Zahlen, Daten, Fakten – um Leitungsebenen zu überzeugen. Julia Weger sprach das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Gründlichkeit und praktischer Machbarkeit an. Sie plädierte für realistische Standards: „Es gibt nicht die eine richtige Lösung – wir müssen ständig abwägen.“ Miriam Szwast ergänzte: „Wir werden gefragt, wie viele Besucher:innen eine Ausstellung hatte – aber nicht, was sie bei den Menschen bewirkt hat.“ Sie forderte qualitative Indikatoren wie Feedbackformate, Erfahrungsberichte oder partizipative Auswertungsmethoden.
Ein wiederkehrendes Thema war die Frage nach dem „ökologischen Fußabdruck“ einer Ausstellung – und wer diesen messen solle. Sofia Rauzino schilderte, dass viele Kolleg:innen im Haus zwar Interesse zeigen, aber unsicher seien, wo sie anfangen können. Ihre Lösung: ein internes Coaching-Format, in dem Erfahrungen geteilt und niedrigschwellige Tools wie CO₂-Rechner eingeführt werden. Auch Elisabeth Vallazza betonte die Bedeutung von Transparenz: „Wir müssen ehrlich sagen, was wir wissen – und was noch nicht. Und trotzdem anfangen.“
Nachhaltigkeit ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Herausforderung ist – eine Frage der Haltung, nicht allein der Zahlen.
Kommunikation, Beteiligung und Teamentwicklung – Nachhaltigkeit gemeinsam gestalten
Nachhaltigkeit sei nur gemeinsam umsetzbar! „Es darf nicht von einer einzelnen Person abhängen“, betonte Miriam Szwast, viele im Team müssen sich verantwortlich zeigen!
Auch Besucher:innen müssen an diesem Prozess beteiligt werden. Viele Häuser suchen nach Wegen, wie Besucher:innen nicht nur informiert, sondern aktiv eingebunden werden können.
Sofia Rauzino betonte, dass Beteiligung auch intern beginnt: „Wenn wir über Nachhaltigkeit reden, reden wir auch über Macht und Mitbestimmung. Wer sitzt am Tisch? Wer wird gehört?“ Sie berichtete von einem offenen Format mit Mitarbeitenden aller Abteilungen, in dem Ideen gesammelt und gemeinsam priorisiert werden.
Im Kunsthaus Graz gibt es das Modell des „Green Team“, einer Bottom-up-Initiative, die mit der eigenen Begeisterungsfähigkeit versucht, Kolleg:innen für nachhaltige Ideen gewinnt. Die Gruppe experimentiert mit neuen Kommunikationsformen und sucht gezielt den Austausch mit skeptischen Akteur:innenn. Beteiligung bedeute auch, einen geschützten Raum für Kritik und Reflexion zu schaffen.
Nachhaltigkeit ist kein Ziel, sondern ein kontinuierlicher, oft widersprüchlicher Prozess. Zwischen Anspruch, Realität und Systemgrenzen gibt es keinen linearen Weg – wohl aber viele mutige Versuche, neue Pfade zu beschreiten.
Nachhaltigkeit entsteht durch Austausch, Offenheit für Fehler, strategisches Denken und soziale Einbettung.