
Künstlerin Anita Fuchs erarbeitete drei Biodiversitätsspaziergänge ...
Museum von allen für alle!
Community Outreach des Belvedere 21
Zum einen, weil sich das urbane Umfeld des Museums durch die Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs (dieser hat 2015 den Südbahnhof abgelöst) und die umliegenden Stadtentwicklungsgebiete Quartier Belvedere und Sonnwendviertel stark verändert hat und weiterhin verändert. Zum anderen, weil sich das Museum als Teil dieser Transformation begreift.
Seit geraumer Zeit beschäftigt die Erweiterung des Publikums, im Fachjargon Audience Development genannt, in Kunst und Kultur Tätige – Begriffe wie Accessibility, Inklusion und Partizipation sind aus dem Alltag der hochprofessionalisierten und ausdifferenzierten Museumsarbeit nicht mehr wegzudenken. Hinter diesen Schlagwörtern stehen konkrete Überlegungen: Wie können Institutionen und Angebote diverser, niederschwelliger, zugänglicher werden, um Teilnahme und Teilhabe zu ermöglichen? Oder um es im Geist der Community Outreach zu sagen: Wie schaffen wir ein Museum von allen für alle?
Seit geraumer Zeit beschäftigt die Erweiterung des Publikums, im Fachjargon Audience Development genannt, in Kunst und Kultur Tätige – Begriffe wie Accessibility, Inklusion und Partizipation sind aus dem Alltag der hochprofessionalisierten und ausdifferenzierten Museumsarbeit nicht mehr wegzudenken. Hinter diesen Schlagwörtern stehen konkrete Überlegungen: Wie können Institutionen und Angebote diverser, niederschwelliger, zugänglicher werden, um Teilnahme und Teilhabe zu ermöglichen? Oder um es im Geist der Community Outreach zu sagen: Wie schaffen wir ein Museum von allen für alle?
Eine zentrale Rolle dabei spielen nach wie vor Repräsentationsfragen, genauer gesagt die Herausforderungen, die diese Repräsentation mit sich bringt, und eine Kritik daran. Als Beispiele sei hier der feministische Kampf erwähnt, den es brauchte, bis Frauen als Künstlerinnen ernst genommen und in Museen entsprechend ausgestellt wurden – oder das in den letzten Jahren wachsende Bewusstsein für Sammlungsbestände und dafür, wie diese in den Besitz der jeweiligen Institution gelangt sind. Zum anderen geht es um Fragen von Inklusion und Exklusion. Es wird immer wichtiger, die gesellschaftliche Vielfalt endlich auch im Museum abzubilden. Die Forderung nach mehr Diversität wird lauter und bezieht sich längst nicht nur auf die Einladungs- und Ausstellungspolitik, sondern auch auf die Einstellungs- und Personalpolitik der Museen. Die Auseinandersetzung damit ist auch innerhalb der Institutionen zu führen, als nach innen zielende Veränderung – sozusagen als „Inreach“.
Was bedeutet Community Outreach? Community Outreach hat ihren Ursprung in der Konzeptkunst der 1970er-Jahre und beschreibt eine künstlerische Praxis, mit der Künstler:innen in den USA und England in der Nachbarschaft und mit lokalen Gruppen künstlerische Projekte gemeinschaftlich erarbeiteten. Suzanne Lacy hat mit ihren partizipativen, oft aktivistischen und immer lokal eingebetteten Projekten den Begriff der New Genre Public Art wesentlich mitgeprägt. Heute verstehen wir unter Community Outreach allgemein das Ausstrecken und Hinausreichen (outreach) aus den Kulturinstitutionen hinaus – oft liegen diese ja nicht in den bevölkerungsstarken Stadtvierteln, sondern in der Innenstadt – zu den Rändern und Peripherien, zu neuen, spezifischen Gruppen (communities). Das bedeutet die Erweiterung der Museumsarbeit hin zu bislang ausgeschlossenen, unterrepräsentierten oder marginalisierten Communities sowie deren Einbeziehung in die Institution. Community Outreach funktioniert als „aufsuchende Kulturarbeit“:
- Kultur kommt dorthin, wo Menschen leben oder ihre Freizeit verbringen, um ihnen die Teilnahme (Inklusion) zu ermöglichen.
- Kultur bringt niederschwellige, also kostenlose oder günstige Wissenschafts-, Kunst- oder Theaterprojekte direkt dorthin (Zugänglichkeit, Accessibility).
- Die aufsuchende Kulturarbeit schafft offene Kulturbeteiligung – Musik, Theater, bildende Kunst – und gibt allen die Möglichkeit, sich kreativ in der Gruppe zu entwickeln (Partizipation, Teilhabe).
Community Outreach ist als Herangehensweise und als Prozess zu verstehen. Es geht darum, Beziehungen aufzubauen – man könnte auch sagen: Beziehungen zu kuratieren, wenn das Wort „kuratieren“ in seiner ursprünglichen Bedeutung „Sorge tragen, besorgen, pflegen“ (von lat. cura, „Sorge, Fürsorge, Behandlung, Besorgnis“) verstanden und verwendet wird. Es ist zentral, Beziehungen nicht nur aufzubauen, sondern sich um diese zu kümmern und sie zu pflegen!
Meine Aufgabe als Kuratorin für Community Outreach im Belvedere 21 ist es, mit unterschiedlichen Formaten und Aktivitäten das lokale Umfeld des Museums sowie verschiedene Communities und Gruppierungen anzusprechen und sie aktiv ins Programm zu involvieren. Unsere Outreach-Projekte bauen auf den Konzepten des Zugangs und der Zugänglichkeit (Accessibility), der Teilhabe (Inklusion) und der Mitbestimmung (Partizipation) auf und fördern Vielfalt (Diversität). Um diese Teilhabe zu ermöglichen, setzen wir verschiedene Akzente und machen Angebote, um in einen Dialog mit der Öffentlichkeit zu kommen. Im Fall des Belvedere 21 finden fast alle Aktivitäten außerhalb des Ortes Museum statt, also in der Stadt, in der Nachbarschaft, im Skulpturengarten oder im digitalen Raum. Ein wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung der Angebote und Aktivitäten für das Community-Outreach-Programm (belvedere.at/community-outreach) ist die Zusammenarbeit mit Künstler:innen. Das Belvedere 21 ist ein Museum für zeitgenössische Kunst, und es sind Künstler:innen, die aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen und Themen aufgreifen, die in Projekten und Veranstaltungen verhandelt werden. Fragen nach der solidarisch gelebten Nachbarschaft schließen direkt daran an: Wie kann in der Auseinandersetzung mit künstlerischen Positionen ein Zusammenhang zwischen Menschen hergestellt werden, der über die gemeinsame Wahrnehmung der Kunst hinausgeht? Wie finden wir über künstlerische Positionen zu einer Idee von Community bzw. Nachbarschaft?
Seit Jänner 2019 veranstalten wir das „Nachbarschaftsforum“, an dem Künstler:innen, Kulturschaffende und Vertreter:innen benachbarter Institutionen und Initiativen aus den Bereichen Kultur und Bildung sowie allgemein Kulturinteressierte teilnehmen. Der geografische Bogen spannt sich dabei vom Karlsplatz über das Quartier Belvedere und das Arsenal bis hin zum Kulturzentrum Brotfabrik im zehnten Bezirk und zum Stadtentwicklungsgebiet Sonnwendviertel. Anfangs trafen wir uns im Belvedere 21, um zu erheben, was wir miteinander machen wollen. Mittlerweile wechseln wir die Gastgeber:innenrolle und besuchen einander in Erkundungstouren, bei denen sich die Projekte mit ihren Zielen und Ideen vorstellen. Wichtig ist hier der Hinweis auf die besondere Umgebung des Belvedere 21: Im Sonnwendviertel hinter dem Hauptbahnhof haben sich zahlreiche teils selbstorganisierte Wohn- und Gemeinschaftsprojekte angesiedelt, von denen einige wie Gleis 21, Grätzelmixer oder CAPE 10 Kulturprogramme anbieten oder wie das Bikes and Rails über ein Community-Café verfügen. Der zehnte Bezirk verfügt über eine aktive Szene unabhängiger Kulturinitiativen und in der Umgebung des Belvedere 21 leben oder arbeiten zahlreiche Künstler:innen. Beim Nachbarschaftsforum stehen der gemeinsame Austausch sowie das gemeinsame Schmieden von Plänen im Mittelpunkt. Durch die Kontinuität im Angebot entstehen Vertrauen und Identifikation mit dem Haus. Auch während der Lockdowns und des Veranstaltungsverbotes war und ist es wichtig, den Kontakt zu halten: Das Forum fand und findet bei Bedarf online statt.
Ein anderes Format ist das öffentliche Mikrofon (Open Mic), das gemeinsam mit der Wiener Künstlerin Susanne Schuda entwickelt wurde. Damit bieten wir eine Bühne für Präsentationen, Debatten, Reden, musikalische Darbietungen. Unter starker Einbindung der Nachbarschaft stellen sich auch Menschen aus der Umgebung des Belvedere 21 mit ihren Anliegen vor. Während der Lockdowns wurde das Open Mic ins Internet verlegt und die Beiträge als Videoclips auf Social Media ausgestrahlt. Knapp zwanzig Videoporträts der Nachbarschaft können mittlerweile auf der Webseite nachgesehen werden.
In Zusammenarbeit mit der Künstlerin und Aktivistin Gabriele Sturm entsteht seit letztem Jahr ein längerfristiges Projekt an der Schnittstelle von Kunst und Ökologie. Durch Vernetzung und Austausch von Beobachtungen, Erfahrungen und Anliegen wollen wir zu einem gemeinsamen Tun kommen und eine „Plattform der Fähigkeiten“ initiieren, um uns gegenseitig vor allem bei umweltrelevanten Anliegen zu unterstützen.
Community Outreach lebt von Begegnungen auf Augenhöhe; es ist essenziell, dass die Institution durchlässig und offen ist und bleibt.
Credits und Zusatzinfos:
Foto: Belvedere Wien, Ouriel Morgensztern
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