Fahrrad des polnischen KZ-Überlebenden Stanisław Kudliński, Privatbesitz Aurelia Płotkowiak, Poznán, Foto: Markus Gradwohl
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Liberation, Objects!
52 Exponate erzählen die Geschichte der Konzentrationslager Mauthausen, Gusen und der Außenlager

Im Mai 1945 befreite die US Army die letzten großen Konzentrationslager auf dem Gebiet des heutigen Österreichs – ein für zehntausende Männer, Frauen und Kinder im Stammlager Mauthausen, im Zweiglager Gusen sowie in den noch bestehenden Außenlagern überaus bedeutsamer Moment. Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung wurde das partizipative Projekt Liberation, Objects! initiiert, um Gedenken über den engeren Kreis der KZ-Gedenkstätten hinaus sichtbar zu machen. Unter dem Motto „Sichten – Vernetzen – Erzählen“ bat die KZ-Gedenkstätte Mauthausen Institutionen aus ganz Österreich, ihre Sammlungsbestände nach Artefakten, Fotografien, Schriftgut und Gemälden mit Bezug zur Geschichte der Konzentrationslager zu sichten und einzureichen. Insgesamt wurden 52 Projektpartner:innen gesucht, um die Ausstellung wöchentlich, das gesamte Gedenkjahr 2025 hindurch, in den sozialen Medien präsent zu halten. Unsere Befürchtung, nicht genug Projektpartner:innen gewinnen zu können, wich bald der Euphorie aufgrund des regen Interesses an dem Projekt. Die geografisch weite Streuung der teilnehmenden Museen, Erinnerungsinstitutionen und Gedenkinitiativen aus ganz Österreich sowie aus den Orten der ehemaligen Mauthausen-Außenlager in Deutschland (KZ-Außenlager Passau I) und Slowenien (KZ Loibl Süd) verdeutlicht die überregionale Relevanz des Themas. Die Realisierung gelang auch dank der Unterstützung durch den Museumsbund Österreich und das Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport.
 
Seit Jahresbeginn 2025 wird wöchentlich je eines der Liberation Objects in den sozialen Medien der Gedenkstätte und der Projektpartner:innen vorgestellt und vor Ort in Ausstellungsräumlichkeiten der Institutionen gezeigt. Sämtliche 52 Liberation Objects inklusive ausführlicher Objekttexte werden in der virtuellen Ausstellung unter liberationobjects.mauthausen-memorial.org präsentiert. Der Katalog zu diesem Projekt wird im Herbst dieses Jahres publiziert und enthält alle Exponate mit Beiträgen der Partner:innen sowie weitere Details zum Projekt.
 
Die finalen Liberation Objects sind von erstaunlicher Heterogenität hinsichtlich Akteur:innen, Blickwinkeln sowie einer Zeitspanne von der Bronzezeit bis in die Gegenwart. Nicht zuletzt sind auch zahlreiche Exponate und Objektbiografien darunter, die uns bislang völlig unbekannt waren. Manche stehen direkt mit der Befreiung der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen sowie der Außenlager um den 5. Mai 1945 in Zusammenhang. Andere erweitern diese Datierung um die Wochen vor der Befreiung – die Auflösung und Räumung vieler Außenlager des KZ Mauthausen, die anschließenden Evakuierungstransporte und Todesmärsche – sowie um die Zeit nach der Befreiung. So verdeutlichen einzelne Objekte das lange Nachwirken der KZ-Haft auf die Überlebenden, die oftmals viele Wochen über diesen Tag hinaus in den befreiten Lagern verblieben und manchmal sogar Jahre auf ihre Heimkehr oder das Finden einer neuen Heimat warten mussten.
 
Mannigfaltig sind auch die Überlieferungsgeschichten der Exponate dieser Ausstellung: Manche verblieben am Ort der Verbrechen, andere wurden in unmittelbarer Nähe aufbewahrt, wieder andere wurden schlichtweg weiter genutzt und entwickelten sich erst auf Umwegen zu Erinnerungsstücken. Exemplarisch für die – abhängig von der persönlichen Disposition – vollkommen unterschiedlichen Erfahrungen der Befreiung und Möglichkeit zur Heimkehr steht ein Fahrrad, das seit 2013 in der Dauerausstellung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu sehen ist. Der polnische KZ-Überlebende Stanisław Kudliński erhielt dieses Rad als Geschenk von Linzer Ordensschwestern und konnte, da er in guter körperlicher Verfassung war, damit bis in seine polnische Heimat fahren. Das Fahrrad bewahrte er bis an sein Lebensende sorgsam auf.
 
Andere Exponate der Ausstellung blieben viele Jahrzehnte in Privatbesitz, bis sie an Museen und andere Institutionen übergeben wurden. Bemerkenswert ist etwa die Objektbiografie eines mittelalterlichen Mantelhelms aus dem Heimatmuseum Mauthausen: Ein US-Militärarzt nahm diesen 1945 mit in die USA. Im hohen Alter von 95 Jahren wurde ihm die Rückgabe des „Souvenirs“ zu einem dringenden Bedürfnis; erst seit wenigen Jahren befindet sich der Helm wieder im Museum. Andere Objekte wurden in den letzten 80 Jahren direkt an den Orten von Massenverbrechen geborgen. Eine Feldflasche, die heute im Haus der Geschichte Österreich aufbewahrt wird, stammt aus der Untersuchung eines Massengrabes ungarischer Jüdinnen und Juden, die auf dem Todesmarsch in das KZ Gunskirchen in St. Florian ermordet wurden. Schuhe vom Präbichl – materielle Überbleibsel des dort an Jüdinnen und Juden verübten Massakers – wiederum hatte ein Kind vom Spiel im Wald nach Hause gebracht. Heute befinden sie sich in der Sammlung des Museums im Alten Rathaus in Eisenerz.
 
Unter den erstaunlich zahlreichen Objekten aus archäologischen Grabungen sind die spätbronzezeitliche Tasse Typus Gusen, die 1941 von der SS geborgen wurde, wobei sie auf die Arbeitskraft von Häftlingen des KZ Gusen zurückgriff. Heute befindet sie sich im Depot der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums. Die visuellen Exponate unter den Liberation Objects thematisieren völlig unterschiedliche Aspekte der Geschichte der Konzentrationslager: Eine bis dato unbekannte Fotografie stammt etwa aus einem privaten Fotoalbum eines SS-Angehörigen und zeigt das Eingangstor zum KZ Gusen. Erst vor wenigen Jahren wurde dieses Album dem Nordico Stadtmuseum Linz übergeben. Zwei Fotografien dokumentieren die Befreiung: ein Ehrenappell der Häftlinge für die Befreier des KZ Gusen, eingereicht vom Gedenkdienstkomitee Gusen, oder – im Beitrag des kärnten.museums – ein Ehrenspalier slowenischer Partisan:innen für die befreiten Häftlinge des KZ Loibl. Weitere Fotografien symbolisieren die nachkriegszeitliche Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus: Der österreichische Autor und Verleger Heimrad Bäcker arbeitete die Vergangenheit nicht nur literarisch auf, er fertigte ebenso über Jahrzehnte hinweg zahllose Fotografien auf den Arealen der ehemaligen KZ Mauthausen und Gusen. Eine dieser Fotografien befindet sich heute im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek. Ein Gemälde von Karl Stojka mit dem Titel Es war mein Vater in Mauthausen 1942, Teil der Sammlungen des Wien Museums, ist Ausdruck der Aufarbeitung und öffentlichen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Verfolgung der Roma und Sinti.
 
In der Gesamtschau umfasst dieses partizipative Projekt anlässlich des Gedenkjahres 2025 ein beeindruckendes Panorama aktiven Erinnerns an die NS-Zeit, insbesondere an das KZ-System Mauthausen-Gusen. Es zeigt sich nicht nur in der inhaltlichen und geografischen Breite der vorgeschlagenen Exponate, sondern auch an der Vielzahl der Erinnerungsinstitutionen und -initiativen, die sich an Liberation, Objects! beteiligten. Das Projekt setzt ein deutliches Zeichen, dass die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten ist.

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