
Letter to the Smithsonian
Kommentar zu Trumps Internal Review of Smithsonian Exhibitions and Materials, 12. August 2025
Von:
Dirk Rupnow (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Innsbruck
Während wir in unseren Breiten über das Verhältnis von Museen und Demokratie nachdenken und uns fragen, wie Museen die – auch bei uns bereits ins Wanken geratene und nicht mehr vollständig unhinterfragte – (liberale) Demokratie stärken können, dürfen wir zugleich aus der Ferne beobachten, wie die älteste ununterbrochen bestehende Demokratie der Welt gerade in einem bemerkenswerten Tempo und mit ebenso bemerkenswerter wie überraschender Rücksichtslosigkeit zu einem autoritären Staatswesen umgebaut wird – und dabei ihre großen nationalen Museen unter Druck setzt und auf Linie zu bringen versucht.
Die Smithsonian Institution ist der größte Museumskomplex weltweit. Neun ihrer Museen und Galerien säumen die National Mall im Herzen der Bundeshauptstadt Washington, D.C., zwischen dem Capitol und dem Washington Memorial bzw. dem Weißen Haus. Darunter befinden sich das National Museum of American History, das National Museum of Natural History, das National Museum of African American History and Culture, das National Museum of the American Indian und das National Air and Space Museum. Aufgrund der Hinterlassenschaft eines englischen Wissenschaftlers wurde die Smithsonian Institution Mitte des 19. Jahrhunderts vom Kongress gegründet; im Aufsichtsgremium sitzt unter anderem der jeweilige US-Vizepräsident, das Budget stammt vor allem aus Bundesmitteln.
Die zweite Trump-Administration hat nun zu Beginn dieses Jahres einen Angriff auf die wissenschaftliche und kuratorische Integrität der Smithsonian Institution und ihrer Museen gestartet. Seitdem ist bereits die Direktorin der National Portrait Gallery zurückgetreten, die wegen ihrer Bemühungen um Diversität, Gleichstellung und Inklusion unter Beschuss geraten war; einzelne Kunstwerke wurden entfernt (darunter die Darstellung einer schwarzen Trans-Person als Freiheitsstatue), Hinweise auf die Amtsenthebungsverfahren in Trumps erster Amtszeit getilgt. Programmatisch steht dafür die präsidentielle „executive order“ Restoring Truth and Sanity to American History vom 27. März 2025. Schon der Titel, der eine Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft fordert (oder ist hier schlicht der sog. „gesunde Menschenverstand“ gemeint?), muss alarmieren.
Die Erzählung dieses Erlasses lautet, dass durch eine Art Verschwörung („concerted and widespread effort“, „revisionist movement“) eine „ideologisch verzerrte“ Version der US-amerikanischen Geschichte etabliert worden sei – eine Geschichte, in der Rassismus, Sexismus und Machtverhältnisse sichtbar gemacht und thematisiert wurden. Dies habe angeblich zu gesellschaftlicher Spaltung und zu einem Gefühl „nationaler Scham“ geführt. Trump sieht dies alles als Angriff auf die nationale Einheit. Seine Vision eines tieferen Verständnisses der nationalen Vergangenheit („deeper understanding of our shared past“) ist eine feierlich-ernste und erhebende („solemn and uplifting“) Geschichtserzählung, die die Einzigartigkeit der amerikanischen Geschichte und ihre Errungenschaften („unparalleled legacy of advancing liberty, individual rights, and human happiness“) in den Mittelpunkt stellt – und einen (selbst-)kritischen Blick kategorisch ausschließt.
In ihrer intellektuellen Schlichtheit mag diese Argumentation lächerlich erscheinen. Die Dreistigkeit, mit der hier – immerhin in einer offiziellen politischen Erklärung – „alternative facts“ in die Welt gesetzt werden, ist dennoch erschreckend. Der machtgestützte Angriff auf das, was man scheinheilig selbst als „historische Wahrheit“ reklamiert, lässt aufhorchen. Ganz nebenbei wird darin festgehalten, dass „Rasse“ eine biologische Realität sei und keinesfalls ein soziales Konstrukt. Die Stoßrichtung ist somit klar.
Dies zeigt sich auch im Brief des Weißen Hauses an den Sekretär der Smithsonian Institution vom 12. August, mit dem eine Perlustration von zunächst acht Museen – ihrer Sammlungen, Ausstellungen, Vermittlungsprogramme, sonstigen Aktivitäten und Netzwerke – in Gang gesetzt wird. Einheit, Fortschritt und bleibende Werte sollen in den Mittelpunkt gestellt, „divisive or partisan narratives“ entfernt werden.
Es bleibt abzuwarten, was angesichts dieser Agenda vom erst 2016 eröffneten National Museum of African American History and Culture übrigbleibt, das sich schräg neben dem Weißen Haus befindet. Immerhin ist es dessen Kernaufgabe, die Geschichte des Rassismus in den USA zu thematisieren und den Beitrag von Afroamerikaner:innen zur US-amerikanischen Geschichte und Kultur sichtbar zu machen. Ähnliches gilt für das National Museum of the American Indian beim Capitol, das nicht nur die verdrängte Weltsicht und Kultur der „Native Americans“, sondern auch die Geschichte ihrer Vernichtung und gesellschaftlichen Marginalisierung dokumentiert. Interessant wird zudem sein, welche „korrigierenden Eingriffe“ in den übrigen Institutionen vorgenommen werden.
In jedem Fall werden wir einiges lernen über Museen und Demokratien bzw. autoritäre Regime – sowie über die Resilienz von Museen bzw. ihre Anfälligkeit für politische Eingriffe. Inhaltlich bietet dieser Vorgang wenig Neues über den Blick von Populisten und rechten Autoritären auf die Geschichte: erwünscht sind unkomplizierte nationale Erzählungen von Erfolg und Größe mit homogenen Gemeinschaften als Akteuren; Rassismus wird als Normalzustand dargestellt, nicht als Problem. Machtverhältnisse sollen nicht kritisch reflektiert werden, Minderheiten jeglicher Art mit ihren eigenen Perspektiven sind unerwünscht – ebenso wie Ambivalenzen oder Unklarheiten (etwa jenseits der binären Geschlechterordnung). Im konkreten Fall wird das Amerikanismus genannt („the people, principles, and progress that define our nation“). Er soll zu einer „Erneuerung“ des Smithsonian als weltweit tonangebende museale Institution führen („to renew the Smithsonian's role as the world's leading museum institution“).
Der derzeitige Umgang mit der Smithsonian Institution belegt abermals die zentrale Bedeutung von Erinnerungskultur und Geschichtspolitik für populistische, illiberal-demokratische und autoritäre Akteure und ihre Agenden. Dies lässt sich von Italien bis nach Osteuropa und Russland beobachten – und die Trump-USA bilden darin keine Ausnahme.
Credits und Zusatzinfos:
The White House, Letter to the Smithsonian: Internal Review of Smithsonian Exhibitions and Materials, 12. August 2025, www.whitehouse.gov/briefings-statements/2025/08/letter-to-the-smithsonian-internal-review-of-smithsonian-exhibitions-and-materials/ (17.08.2025).