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KUNST – erlebt. Kulturelle Bildung und die Sammlung Heiderose Hildebrand
Von:
Anja Weisi Michelitsch (Steirisches Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur ), Groß St. Florian
HEIDEROSE HILDEBRAND steht für die Öffnung und Belebung des heimischen Kunstdiskurses. 1961 eröffnete sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Architekten Ernst Rudolf Hildebrand ihre erste Galerie in Klagenfurt. In den Jahren danach beschäftigte sie sich intensiv mit der Kunstvermittlung bzw. Kunstbildung in Österreich. Unter anderem entwickelte sie als Leiterin des Pädagogischen Dienstes der Bundesmuseen zahlreiche kunstbezogene Projekte wie z. B. den Chinesischen Korb, der erstmals die assoziativen Fähigkeiten jugendlicher Besucher:innen nützte. Diese Verfahren wurde in den späten 1980er Jahren im Museum Ludwig, Köln, unter der Direktion von Dieter Ronte kontinuierlich eingesetzt. Im Jahr 1987 wurden sie in der Broschüre Kolibri flieg dokumentiert.
Geschult an Museen in England, den Niederlanden und der Schweiz arbeitete Heiderose Hildebrand mit unterschiedlichsten Teams und konnte ihre Ideen auch am Museo Arte Cubano, Havanna, erproben.
Zurück in Klagenfurt gründete sie den Kunstraum haaaauchquer, der 2018 nach 20-jährigem Bestehen geschlossen wurde.
In den 1960-er Jahren trafen Ernst und Heide Hildebrand auf die Kärntner Künstler:innen Hans Bischoffshausen, Angelika Kaufmann und Anton Tschauko, mit welchen sie bald eine enge Freundschaft verband. Durch diese Kontakte wurde wohl das Sammeln angeregt bzw. das Bedürfnis wach, das Kunstgeschehen zu unterstützen – auch mit dem Ziel, eine Ausstellungsfläche zu bieten.
1961 wurde die Galerie Wulfengasse 14 eröffnet. Infolge des schwachen Besuches einer großartigen Schau wesentlicher Werke von Lucio Fontana, 1966, wurde das Galeriegeschehen in die Stadtmitte verlegt und die Galerie Heide Hildebrand eröffnet. Sie bestand bis 1971. Danach übersiedelte Heide Hildebrand nach London und wurde Mitglied des Roy Hart Theatre.
Zu dem ursprünglichen Wunsch, befreundete Künstler:innen zu fördern kam, bald das Anliegen, über die neuesten Kunstströmungen aus ganz Europa, aber auch aus Übersee zu informieren. So setzte sich das Programm der Galerie aus jungen österreichischen Künstler:innen, denen in der Galerie oft eine erste Chance geboten wurde, und internationalen Gruppenausstellungen zusammen.
Die Sammlung enthält daher bedeutende Bilder und Skulpturen zeitgenössischer Kunst, darunter Werke von Maria Lassnig, Hans Bischoffshausen, Herman de Vries oder Bernard Aubertin, Maurice Henry, Bruno Gironcoli, Oskar Wiggli u.v.m.
Mit der Idee, zeitgenössische Kunst am Land und der damit verbundenen Bildungsarbeitzu positionieren, hat Heiderose Hildebrand dem Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur in Groß St. Florian ihre gesamte – mehrere hundert Kunstwerke umfassende – Sammlung zum Zwecke der kulturellen Bildung am Land übergeben. Kultur am Lande muss selbstbewusst auftreten, muss die lokalen Besonderheiten in den globalen kulturellen Diskurs werfen. Gerade diese Besonderheiten aufzuspüren und sie auf ihre kulturelle Relevanz zu prüfen, ist die Aufgabe nachhaltiger Kulturarbeit. Das augenscheinlichste Qualitätsparameter davon ist das Verhältnis zwischen Kultur und Ort.
Zeitgenössische Kunst kann eine Irritation traditioneller Werte, Wahrnehmungen, Ästhetiken etc. darstellen. Sie schaut mit anderen Augen auf die Gesellschaft und ist oft – und gerade auch im ländlichen Raum – mit Widerständen und besonderen Herausforderungen konfrontiert.
Die Arbeit mit ihrer Sammlung – der „bunten Ansammlung“, wie sie von Heiderose Hildebrand selbst einmal so bezeichnet worden ist – hat das Potenzial, anders auf unsere Gesellschaft zu blicken, sie soll die Bevölkerung dieser Region einen neuen Blick auf die Kunst werfen lassen.
Kunst kann uns also die Möglichkeit geben, über uns selbst nachzudenken – und wirkt doch bei jedem Menschen anders. Denn während für manche Menschen ein Leben ohne Kunst unvorstellbar wäre, zieht es andere doch eher selten in ein Museum oder eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Manchmal gelingt es auf ungewöhnliche Weise – wenn z. B. die Besucher:innen der Feuerwehrausstellung im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur auf zeitgenössische Kunst treffen oder die Kunstinteressierten auf eine Feuerwehrausstellung .
Vom 1. April bis 7. Mai 2023 wurden im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur in Groß St. Florian Teile dieser Kunstsammlung gezeigt, ausgewählt von den Künstler:innen und Kurator:innen Edith Payer, Anja Weisi Michelitsch, Markus Waitschacher und Heiderose Hildebrand selbst. Das Ziel der Ausstellung war es, verschiedene Sichtweisen auf die neue Sammlung zu werfen und sie gleichzeitig dem Publikum zugänglich zu machen.
Im Zuge der Entwicklung der Ausstellung wurden auch sogenannte „Privatcafés“ abgehalten. Groß St. Florianer:innen fungierten als Gastgeber:innen und luden in ihre Wohnungen, um Raum für Gespräche zu ermöglichen. Heiderose Hildebrand stellte nicht nur Ziel und Zweck der Sammlung anhand mitgebrachter Kunstwerke vor, sondern nutzte die Gelegenheit auch, sich über Kunst und das Leben auszutauschen.
Im Zuge dessen wurden die Gastgeber:innen auch gebeten, einen Stuhl mit „Geschichte“ für die Ausstellung zu Verfügung zu stellen, auf welchen sich Ausstellungsgäste niederlassen konnten, um in der aufgelegter Literatur zu schmökern.
Ein gemeinsamer, geleiteter Rundgang mit den Teilnehmer:innen der „Privatcafès“ durch die Ausstellung war der Abschluss des Projektes. Mit diesem Bildungsprojekt wurde eine inhaltliche Auseinandersetzung mit zeitgenössisch künstlerischer Arbeit in einer steirischen Region an der Schnittstelle von Alltagsleben und Kunst angeleitet.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, Menschen zum Mitmachen und Mitbestimmen anzuregen. Dies reicht von kleinen Ansätzen, in Ausstellungen etwas einzubringen, bis hin zur Mitgestaltung von Bildungsprogrammen.
Die Begriffe Bildung und Vermittlung sind nicht deckungsgleich: So richtet der Begriff Bildung, laut Hildebrand, den Blick mehr auf die Eigeninitiative des Publikums und bezeichnet das Ergebnis als lebenslanges Lernen, während der Begriff des Vermittelns auch auf einen Wissenstransfer abzielt, die Interessen des Museums oder der Ausstellung vertritt.
Heiderose Hildebrands Bildungsarbeit zielt genau darauf ab und bezieht das Vis-à-vis deutlich ein. Sie hätte nie vermittelt, meint Hildebrand: „Unsere Arbeit war stets von Risken begleitet, da wir auf den Erfahrungsschatz, die Emotionalität und Sprachgewandtheit unserer jugendlichen Gäste setzten.“
Hildebrand hat u. a. den Museumspädagogischen Dienst der Bundesmuseen in Wien, sowie die Projekte Kolibri fliegt und StörDienst am Museum moderner Kunst Wien im Palais Liechtenstein mitgegründet. „Wir – das vielfach kompetente Team des ersten Projektes 1985/1986 – mussten die Grundlagen erarbeiten und hatten seitens der Museumsleitung eine große Freiheit“, so der heutige Blick Hildebrands auf diese Zeit.
Mit der Überlegung eine Verbindung zwischen Kunst und Rezipient aufzubauen, zählt der Chinesische Korb wohl zu der bekanntesten Methode, die damals entwickelt worden ist. Es handelt sich auf den ersten Blick um eine niederschwellige Methode, welche jedoch an jugendliche Besucher:innen entscheidende Anforderungen stellt. Im Zweier-Team sollen sie sich für ein Kunstwerk entscheiden, anhand eines zufällig aus dem Chinesischen Korb gezogenen Objektes, eine Begründung liefern und all dies auch sprachlich formulieren – eine recht große Herausforderung! Eine individuelle Auswahl der Kunstwerke erfolgt durch einen, von den Teilnehmer:innen gestalteten Parcours durch die Ausstellung. Die Assoziationen, die der Gegenstand auslöste, werden nun mit der Beobachtung der Kunst zusammengebracht.
Alle Projekte Hildebrands, die von ihr konzipiert und unter ihrer Leitung über die Jahre durchgeführt worden sind, wurden sorgsam und umfangreich von ihr dokumentiert und tragen damit zu einem wesentlichen Bestandteil zur Aufbereitung der Geschichte von Kunstvermittlung und Bildungsarbeit in Österreich bei.
Dieses Archiv erging an das mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, die Universität für Angewandte Kunst, das Universalmuseum Joanneum und das Steirische Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur.
Für die Zukunft ist im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur angedacht, mit der Sammlung neue Formate zu entwickeln, welche für die Themen der Zeit und des Ortes am besten geeignet sind und gleichzeitig verschiedene Besucher:innengruppen, vor allem aber die lokale Bevölkerung, anzusprechen. Unterschiedliche Gruppierungen zum Handeln zu animieren, ist eine der Aufgaben, welche Museen – im Besitz der Öffentlichkeit – unter anderem verfolgen sollten.
Aufgrund ihrer oft aufwühlenden, nachdenklich machenden, aber auch anregenden Wirkung auf unseren Intellekt und unseren Geist, sollte die Sammlung Heiderose Hildebrand verstärkt in die Bildungsabläufe der Schuljugend einbezogen werden. Sie soll ein lebenslanges Lernen für eine möglichst große Anzahl von Menschen ermöglichen: „Es wird klar, dass wir möglichst viele beteiligen müssen. Sonst werden wir uns gegenseitig nicht mehr verstehen und auch unsere Erde, unsere Welt nicht mehr begreifen.“ (Heiderose Hildebrand)
Aufgrund ihrer oft aufwühlenden, nachdenklich machenden, aber auch anregenden Wirkung auf unseren Intellekt und unseren Geist, sollte die Sammlung Heiderose Hildebrand verstärkt in die Bildungsabläufe der Schuljugend einbezogen werden. Sie soll ein lebenslanges Lernen für eine möglichst große Anzahl von Menschen ermöglichen: „Es wird klar, dass wir möglichst viele beteiligen müssen. Sonst werden wir uns gegenseitig nicht mehr verstehen und auch unsere Erde, unsere Welt nicht mehr begreifen.“ (Heiderose Hildebrand)
Der Text ist auf Basis eines Gesprächs entstanden, welches Anja Weisi Michelitsch am 30. April im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur mit Heiderose Hildebrand geführt hat.
Permanent Link: www.doi.org/10.58865/13.14/233/5
Permanent Link: www.doi.org/10.58865/13.14/233/5
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