
OK Eingang, Foto: Robert Maybach
Komm! ins Offene, Freund:in!
Von:
Andreas Kump (Werbetexter und Autor), Linz
So lautet die bei Hölderlin entlehnte Aufforderung, das OK Offene Kulturhaus Linz mit seinem unprätentiösen Vorplatz genauer zu betrachten. Denn nicht in jeder Kommune schlägt automatisch im geografischen Zentrum auch das Herz der Stadt – in Linz hingegen schon.
Früher war hier ein Klostergarten, wuchsen ebenda Ringelblumen, Lavendel, Melisse und die Echte Kamille, gediehen Paradeiser, Dill und Spalierobst. Vielleicht erklärt das, warum heute alles so organisch wirkt, an diesem mehrfach gewandelten Ort, an diesem zentralen Platz in der Stadt. Nirgendwo fühlt sich Linz großstädtischer an. Lokale Weltbürger:innen behaupten sogar, der nach wie vor weitflächig ungepflasterte Platz sei streng genommen das einzig Urbane an Linz. Wegen seiner Durchlässigkeit. Wegen seiner im Sommer südländischen Lässigkeit. Wegen dem Aperol Spritz im Gastgarten bei der vom Künstler Andreas Strauss aus einem Überseecontainer geflexten goldenen Bar. Wegen konsumzwangloser Möglichkeit, auf dem ausgestreuten Balkenmikado zu sitzen und den Boule-Spieler:innen beim Wurf der Kugeln zuzusehen. Erst 2007 bekam dieser in Linz einmalige Ort einen eigenen Namen. OK-Platz heißt er seither. Benannt nach dem Offenen Kulturhaus (OK Linz), das ab 1989 aus einem funktionslos gewordenen Schulgebäude des Ursulinenordens – ja – erwuchs. Inhaltlich wie baulich. Der Keimzelle des Ganzen.
Früher war hier ein Klostergarten, wuchsen ebenda Ringelblumen, Lavendel, Melisse und die Echte Kamille, gediehen Paradeiser, Dill und Spalierobst. Vielleicht erklärt das, warum heute alles so organisch wirkt, an diesem mehrfach gewandelten Ort, an diesem zentralen Platz in der Stadt. Nirgendwo fühlt sich Linz großstädtischer an. Lokale Weltbürger:innen behaupten sogar, der nach wie vor weitflächig ungepflasterte Platz sei streng genommen das einzig Urbane an Linz. Wegen seiner Durchlässigkeit. Wegen seiner im Sommer südländischen Lässigkeit. Wegen dem Aperol Spritz im Gastgarten bei der vom Künstler Andreas Strauss aus einem Überseecontainer geflexten goldenen Bar. Wegen konsumzwangloser Möglichkeit, auf dem ausgestreuten Balkenmikado zu sitzen und den Boule-Spieler:innen beim Wurf der Kugeln zuzusehen. Erst 2007 bekam dieser in Linz einmalige Ort einen eigenen Namen. OK-Platz heißt er seither. Benannt nach dem Offenen Kulturhaus (OK Linz), das ab 1989 aus einem funktionslos gewordenen Schulgebäude des Ursulinenordens – ja – erwuchs. Inhaltlich wie baulich. Der Keimzelle des Ganzen.
Fast 60 Jahre hatte das Gebäude in seiner alten Struktur bestanden, die längste Zeit als Mädchen- und Höhere Töchterschule – samt des angrenzenden Klosterkomplexes wurde es nach Weggang der Ursulinen 1972 vom Land Oberösterreich erworben. Die neue Nutzung passierte nicht von heute auf morgen. Dafür war sie dann ambitioniert gedacht. „Centrum für Gegenwartskunst“ lautete die Zuschreibung. Die es heute nicht mehr braucht. Längst ist das OK Linz zum Eigennamen geworden, zu einer Institution, die durch einen Umbau Mitte der 1990er vollends an die Stadt angedockt ist. Damals wurde der Zugang in die Mitte der Südfassade verlegt und durch Stufen und Steg mit dem Platz verbunden. Organisch wurde diese Verbindung im Inneren fortgeführt, das Foyer über eine Stiegenhaushalle ins darüberliegende Geschoss verlängert. Dem setzten die Architekt:innen von RIEPL RIEPL eine verglaste Box als Mediendeck aufs Dach. Umbau gelungen, Haus lebt. Durch die Wegführung und Erweiterung wurde das OK Linz noch mehr zum Organismus. Ein klassisches Museum war es sowieso nie. Das Offene im Namen war nie nur Wort oder Begriff, war immer Programm und Praxis. Was sich seit der 2023 begonnenen weiteren Öffnung durch Einbeziehen junger Communitys auf neue Art zeigt. Programm wie Akteur:innen sollen divers und diskursiv sein, neue Gruppen von Menschen ins OK Linz führen. Wie etwa bei der Afterparty der linzpride 2024 im erwähnten OK-Mediendeck. „Komm! ins Offene, Freund:in!“ – so gesagt und geschrieben harmoniert das mit dem Charakter des Hauses sehr gut.
Zur Zugänglichkeit, Frequenz und Existenz als moderner, städtischer Ort trägt die Nachbarschaft mit dem Programmkino Moviemento und dem Restaurant Gelbes Krokodil im Souterrain bei, genauso wie die mit der Bar Solaris im Erdgeschoss. Seit jeher profitiert das OK Linz von den Synergien mit diesen Institutionen. Das jährliche Filmfestival Crossing Europe intensiviert diese Wechselwirkung zusätzlich, da zahlreiche internationale Filmschaffende und Gäste den OK-Platz frequentieren, der dann mehr denn je als Hotspot und heimlicher Mittelpunkt der Stadt fungiert.
Ähnliches gilt im kleineren Rahmen für das jährliche Nextcomic-Festival, dessen Hauptveranstaltungsort der benachbarte Ursulinenhof ist.
Umgekehrt wirkt das OK Linz selbst als Magnet – wenn es seiner neujustierten Ausrichtung folgend zum Ort für Diskurse und das Sichtbarwerden von Diversität wird. So geschehen bei den Ausstellungseröffnungen von Queer – Vielfalt ist unsere Natur sowie Eva & Adele. So geschehen zu Cyberfeminismus bei der bis Ende Juli 2025 laufenden Schau Who’s Your Daddy von Arvida Byström. Im Vorjahr wurde wiederum die Vernissage zur Ausstellung Rage der Pussy-Riot-Mitbegründerin Nadya Tolokonnikova zum Happening. Ihre multimediale Schau – Tolokonnikovas erste in Europa – zog mit feministischen Positionen und der Kunst des radikalen Protestes speziell auch ein junges Publikum an. Dabei wurde auch die aus der Klosterzeit belassene „Kapelle Unserer Lieben Frau von Altötting“ am OK-Platz einbezogen. Drei darin zu sehende Sexpuppen, die von der Künstlerin zu wehrhaften dominanten Figuren umgearbeitet wurden, nahmen Bezug auf die 2012 von Pussy Riot durchgeführte Aktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, die zur Verhaftung Tolokonnikovas geführt hatte. Das dort per Punksong vorgetragene, radikale Rütteln an Putin und Patriachat war als Hilferuf an die „Heilige Mutter Gottes“ getarnt und fand in der Kapelle am OK-Platz eine stringente Fortführung.
Wie perspektivenverändernd Kunst und Architektur den öffentlichen Raum beeinflussen, zeigte sich am und über dem OK-Platz auch bei Linz09 – als das lange nur mit Industrie assoziierte Linz 2009 Europäische Kulturhauptstadt war. Über den Platz, durch das Haus führte ein von künstlerischen Positionen gesäumter Parcours in eine neu geschaffene Dachlandschaft, die sich organisch wuchernd und durch Stege verbunden auf die Nebengebäude erstreckte. Unter dem Format Höhenrausch wurde die Bespielung der Dach- und Außenflächen des OK samt seinem benachbarten Areal regelmäßig zum Großevent.
Dabei entstand mit dem voestalpine open space eine in 25 Meter Höhe schwebende Verbindung zwischen dem OK Linz und seinem Nachbargebäude. Eine Landmark-Stahlkonstruktion aus Elementen des Hochregalbaus mit einer 340 m2 großen Freifläche für künstlerische Projekte.
Genau dieser Freiraum war es auch, der den Künstler Wolfgang Flatz von einer umfassenden Werkschau mit einer speziell für das OK Linz konzipierten Installation am voestalpine open space überzeugte. Flatz, der mit seinen grenzgängerischen performativen Arbeiten seit vier Jahrzehnten Museumbesucher:innen, Kunstwelt und Öffentlichkeit reizt, reizte seinerseits die exponierte, außergewöhnliche Präsentationsfläche. Mitten in der Stadt, an einem (durch)lässigen Platz, abgehoben vom Alltäglichen. Physical Machine heißt die Ausstellung – die erste größere Schau nach einer Personale in der Pinakothek der Moderne an seinem Wohn- und Schaffensort München im Jahr 2023. Dabei bekommt auch das skulpturale Werk des aus Dornbirn stammenden Künstlers breiten Raum. Das OK Linz und der voestalpine open space sind „Parkplatz“ für die zu Skulpturen gewandelten Motorräder und Autos der Serie Lost Generation – der figürlichen Entsprechung einer langen Auseinandersetzung mit der Idee von Mobilität und der Rolle des Autos in der zeitgenössischen Kultur. Einen Hauch Mad Max haben diese Objekte, einschließlich eines aus Schrott zusammengebauten Rollstuhls. Demontage, Sabotage, Interaktion mit dem Publikum – so wenig sich der mittlerweile 72-jährige Flatz dabei selbst geschont hat, so übergreifend, auf die örtlichen Besonderheiten reagierend, präsentiert sich nun diese Werkschau. Dazu gehört ein im Haus ausgestelltes Performance-Archiv, passend zur neuen Ausrichtung des Hauses mit einem Fokus auf Performance-Kunst, das erstmalig die gesamten Aktionen von Flatz in ihrer Komplexität zeigt – und auch an bodycheck, dicht an dicht hängenden Boxsäcken, mit denen der Künstler 1992 auf der documenta IX für Furore gesorgt hatte, führt kein Weg vorbei. Nein, mitten durch müssen sich die Besucher:innen von Physical Machine zwängen, wollen sie dem Parcours und damit auch Flatz weiter folgen. Eine anregende Tour de Force also, über die sich nach dem Besuch gut reden lässt, am OK-Platz, unter den Kastanien beim goldenen Container.
Fertig wird dieser Platz nie werden. Weil er sich im organischen Sinne – und da sind wir wieder am Anfang – stetig wandelt. Heute sind die Treppen vor dem Eingang in Regenbogenfarben gestrichen, kam in der südlichen Ecke kürzlich eine aus drei Bögen bestehende Audio-Skulptur hinzu, die als Denkmal den Frauen im Widerstand gegen das NS-Regime gewidmet ist. Im Juni ist heuer ein großes Sommerfest geplant, das alle Nachbarn miteinbezieht. Eine Einladung, ins Offene zu kommen.