Nicht-Besucher:innen-Befragung im Landesmuseum Burgenland
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Kategorie: Nicht-Besucher:innen
Von: Julia Starke (freie Kulturarbeiterin), Wien

Erstaunlicherweise ist es nicht schwer, an Informationen zu kommen, die verraten, warum Menschen das Museum nicht besuchen. Jene, die das Museum nicht besuchen, scheinen überall zu sein, nur eben nicht im Museum. Hat man sie entdeckt und befragt, stellt man fest, dass sie eine oft sehr differenzierte Meinung haben: Sie geben ihr Urteil ab und können von Gedanken, Erfahrungen und Eindrücken über das Museum berichten. Eine Schwierigkeit ist es aber, die Ergebnisse genau zu beschreiben und später sinnhaft einzuordnen. Welche Bedeutungen haben Aussagen von Nicht-Besucherinnen und Nicht-Besuchern rückwirkend für das Museum? 

Innerhalb der Nicht-Besucher:innen-Befragung im Landesmuseum Burgenland – ein Pilotprojekt – konnten 359 Burgenländer:innen aus allen Bezirken befragt werden: zur Erreichbarkeit des Landesmuseums Burgenland, möglichen Ausstellungs- und Vermittlungsbarrieren, zu ihrer Wahrnehmung des Images, zu Marketingmaßnahmen, Öffnungszeiten, Eintrittspreisen sowie zur empfundenen Wertigkeit der existenziellen Berechtigung des Museums im Allgemeinen und des Landesmuseums Burgenland im Speziellen. Natürlich steht hinter einer Nicht-Besucher:innen-Befragung generell die Frage, wie die täglichen Museumstätigkeiten, Ideen und Konzepte ihr volles Potenzial für die Besucherin, den Besucher erfüllen. 

Ist das volle Potenzial des Museums die Teilhabe und der uneingeschränkte Zugang für alle, dann ist der Wunsch nach Einschätzbarkeit der Bedürfnisse jener Menschen, die das Museum potenziell besuchen könnten, verständlich. Mit diesem Wunsch beginnt die Begutachtung, Beurteilung und Bewertung jener Menschen, die das Museum (nicht) besuchen. Aber auf welcher Grundlage erfolgen diese Begutachtungen, Beurteilungen und Bewertungen im Museumsalltag? Sind diese ohne eine (Nicht-)Besucher:innen-Befragung nicht viel mehr Mutmaßungen, Annahmen und Vorstellungen? In manchen Fällen vielleicht auch Vorurteile, die praktikabel in sogenannte Zielgruppenbeschreibungen münden? Auf welchen Grundlagen werden Kategorisierungen erfunden, die „Kernbesucher:innen“, „Besucher:innen“, „Gelegenheitsbesucher:innen“ oder „Nicht-Besucher:innen“ und dergleichen definieren? Gruppenbezogenen Kategorisierungen sollen eine Antwort darauf geben, was getan werden kann, um möglichst viele Menschen auf die passende Art und Weise anzusprechen und ins Museum zu locken. Doch wie können Mutmaßungen, Annahmen, Vorstellungen und eventuelle Vorurteile tatsächlich eine gesicherte Grundlage für diese Art der strategischen Entscheidungen bilden? 

Leider sind auch (Nicht-)Besucher/innen-Befragun- gen vereinzelt Teil dieser Kategorisierungen, denn bei vielen Erhebungen in der Publikumsforschung werden quantitative Forschungsmethoden verwendet.(1) Auch innerhalb der Pilotstudie im Burgenland war dies der Fall. Dennoch: „[...] ein standardisiertes Erforschen von (Nicht-)BesucherInnen setzt im Grunde auch eine standardisierte (Nicht-)BesucherIn voraus“.(2) Verhaltensweisen sind Momentaufnahmen, Beziehungspotenziale sind Emotionen und Empfindungen, die auf inneren Zuständen der befragten Personen beruhen, diese ändern sich und sind schwer durch standardisierte Fragemethoden messbar. Dennoch wurden innerhalb einer Befragung des Jüdischen Museums Berlin Nicht-Besucher/innen noch zusätzlich typisiert: „Typ 1: Der verhinderte Besucher; Typ 2: Der unfreiwillige Nicht-Besucher; Typ 3: Der Selbsterklärte Nicht- Besucher; Typ 4: Der „Weiß-ich-selber-nicht“-Nicht- Besucher“.(3) Welche Veränderungen, Hilfestellungen und Entwicklungsmöglichkeiten diese Beurteilungen für das Museum bedeuten, bleibt unklar. Es mag überraschend klingen, aber Menschen sind nicht simpel kategorisierbar, sondern vielmehr geprägt von flexiblen und teils auch widersprüchlichen Wünschen und Werten, vor allem in einer Netzgesellschaft, in der Biografien ohne lineare Logik entstehen. 

Eine Befragung von (Nicht-)Besucherinnen und (Nicht-)Besuchern sollte daher die Motivation haben, nicht weiter die Kategorisierun- gen zu unterstützen und die Gemeinschaft, in der wir leben, zu teilen, zu trennen und zu differenzieren, um sie so (zielgruppenspezifisch) schubladisieren zu können. Eine gelungene Motivation kann daher nur sein, mithilfe von (quantitativen und qualitativen) Befragungen Barrieren zu erforschen, die Menschen auf dem Weg in das Museum oder im Museum selbst behindern. Das Ziel kann ein inklusives Museum sein, das Strukturen und Gemeinschaften fördert, das Einbezogenheit und Zugehörigkeit entstehen lassen kann. 

Credits und Zusatzinfos: 
Fotografie: blurAZ/Shutterstock.com

Fußnoten
1 Vgl. Thomas Renz, „Qualitative NichtbesucherInnenforschung“, in: NÖKU-Gruppe, Susanne Wolfram (Hg.): Kulturvermittlung  heute, Bielefeld 2016, S. 190.
2 Ebda., S. 191
3 Vera Allmanritter, Thomas Renz, „What difference does ist make“, in: Zeitschrift für Kulturmanagement, 2/2017, S. 202. 
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