Szene aus Assassin’s Creed 2 von Ubisoft / ​© 2023 Ubisoft Entertainment. All Rights Reserved
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It’s not a game, it’s a game changer!
Von: Sabine Fauland (Museumsbund Österreich), Graz

Zusammenfassungen der Keynote von Johanna Pirker, Ludwig-Maximilians-Universität München / TU Graz, am #digiRoundtable IV, 7. Juli 20223, Graz.
 
Bei der Aufbereitung der Inhalte bei Lehre und Vermittlung wird sich gerade auch durch das Auftreten der generativen AI einiges ändern (müssen), interaktive Elemente müssen vermehrt in den Fokus gerückt werden. Entertainment und Lehre liegen auch auf den beliebten Plattformen Twitch und TikTok sowie bei den Games Fortnite und Minecraft nahe beieinander. Gerade während der Lockdowns wurde Twitch und auch Fortnite intensiv für die Lehre verwendet, so konnten statt einige Dutzend Studierende Hunderte erreicht werden.
An der Spielewelt kommt man nicht vorbei, um die nächsten Generationen zu begeistern: eSports-Übertragungen auf Twitch haben inzwischen mehr Zuschauer:innen als die Fernsehübertragung der Superbowl. Die Spieleindustrie macht heute deutlich mehr Umsatz als die Musik-, Film- und Buchindustrie zusammen.
 
Die Spieleindustrie ist genauso divers wie alle anderen Industrien: Die Klischees, dass alle Spiele Gewalt enthalten und grundsätzlich süchtig machen, ist genauso falsch wie das Klischee über den typischen Spieler selbst, der grundsätzlich männlich und in der sozialen Kommunikation unterdurchschnittlich geschickt ist. Die Entertainment Software Association gibt jährliche Statistiken zur Gaming Industry und Gamer:innen heraus, obwohl aus USA können diese durchaus auf Europa übertragen werden: Der durchschnittliche Spielende ist heute 31 Jahre alt, 45 % der Spieler:innen identifizieren sich mit dem weiblichen Geschlecht. Jason C. Allaire, North Carolina State University, sagt folgerichtig: „People of all ages play video games. There is no longer a ‘stereotype game player,’ but instead a game player could be your grandparent, your boss, or even your professor.”
 
Es gibt Studien aus den unterschiedlichsten Bereichen, die zeigen, warum Videospiele sich positiv auf Menschen auswirkt. Auch ein Klischee ist, dass Videospiele immer alleine gespielt werden, die meisten Gamer:innen spielen mit anderen, mit Freunden, Partner:innen, Familie oder in Teams, knüpfen über Spiele Kontakte, lernen Freunde kennen, Menschen, die sie sonst nicht getroffen hätten. Zu Zeiten der Pandemie machte eine Studie aus Oxford (Niklas Johannes, Matti Vuorre, Andrew K: Przybylski: Video game play is positively correlated with well-being, 2021) deutlich, dass Menschen, die soziale Videospiele, wie bspw. Animal Crossing, spielen, deutlich weniger Probleme mit der mentalen Gesundheit hatten als Nicht-Gamer:innen. Im Vergleich zu Video-Calls, wo die Entfernung voneinander deutlich ist, ist man beim Spielen virtuell am selben Ort, eine digitale Kopräsenz entsteht. 
 
Videospiele bieten eine andere Art von Erfahrungen: Das kommerziell erfolgreiche Spiel This War of Mine bspw. zeigt eine andere Perspektive von Krieg, jene der Zivilist:innen, der Überlebenden. Anders als in Filmen oder Büchern werden dort Entscheidungen simuliert, wie sie im Krieg notwendig sind, wenn es um das eigene Überleben geht, das oft auf Kosten anderer passiert. So wird Empathie gelehrt. 
Das kostenlose, ca. einstündige Indie-Game Path Out, entwickelt von Causa Creations, Wien, basiert auf der autobiographischen Geschichte von Abdullah Karam, einem Jugendlichen, der aus Syrien in die Türkei nach Österreich flieht. Real-Videos von Abdullah Karam begleiten dabei den Protagonisten.
 
Die Entwickler:innen des Blockbusterspiels Assasins Creed haben sich sehr um historische Authentizität bemüht, viele Disziplinen waren bei der Entwicklung der Spiele beteiligt, dessen Produktionskosten in den zweistelligen Millionenbereich gehen. Für die Spiele-Entwicklung brauchte es bis vor Kurzem breitgefächerte Programmierkenntnisse, jeder Pixel musste extra gesetzt und auch die Physik des Spieleverlaufs berechnet werden; darüber hinaus brauchte es noch einen Publisher, der das Spiel breit auf den Markt bringt. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das stark gewandelt. Eine Demokratisierung der Spiele-Entwicklung hat eingesetzt. Die Spiele-Entwicklung ist leichter und zugänglicher geworden. Mit Tools wie Unity, Game Maker, Game Salad oder Unreal Engine können teilweise sogar ohne große Programmierkenntnisse 2D- und 3D-Spiele kreiert werden – in nur wenigen Stunden mit wenigen Kosten. 
 

Spiele finden mehr und mehr den Weg ins Museum: 

Gamification von Exponaten und Sammlungen 
  • Verwendung von Spielmechanismen zur Schaffung interaktiver Herausforderungen 
  • Einbindung von Storytelling-Elementen in Spiele 
  • Förderung von Erkundung und Entdeckung durch Spiel (selbständiges Entdecken)
 
Virtuelle und erweiterte Realität 
  • (Immersive) Erfahrungen mit VR- und AR-Technologien 
  • Simulation von historischen Umgebungen und Artefakten (Ermöglichung von barrierefreiem Zugang)
  • Verbesserung der Auseinandersetzung und der Interaktion mit Exponaten 
 
Kollaborative und soziale Spielerfahrungen 
  • Multiplayer-Spiele für Gruppeninteraktionen 
  • Förderung von sozialen Verbindungen und Kooperation
  • Förderung des Lernens durch gemeinsame Erfahrungen
 
Der (Mehr-)Wert von digitalen Erfahrungen ist, mehr Menschen aus der ganzen Welt mit Inhalten zu erreichen, ohne große technische Barrieren, oft auch verbunden mit dem geringeren Einsatz von Ressourcen, mit der Möglichkeit der Interaktion sowie der Personalisierung und der Möglichkeit aus Nutzer:innen kreative Produzent:innen zu machen.
 
Gerade VR und AR bieten hier für Kulturerbeinstitutionen großes Potenzial, um Objekte und Umgebungen zu visualisieren, Emotionen zu erzeugen, Aktivitäten zu simulieren, das Unzugängliche sichtbar, erlebbar und erforschbar zu machen – mit dem Einsatz von Gaming-Elementen.
 
Es gibt zahlreiche Herausforderungen für Museen bei der Monetarisierung von Sammlung und Vermittlung – das Gleichgewicht zwischen Kommerzialisierung und gesellschaftlichen Auftrag der Bewahrung des kulturellen Erbes müssen gewahrt sein. Es wird darum gehen, nachhaltig Einnahmen zu sichern, ohne die Authentizität zu verlieren und auch ein Gleichgewicht zwischen Zugänglichkeit und Exklusivität zu finden.
 
Monetarisierung wäre denkbar durch: 
  • Digitale Replikate und Lizenzvereinbarungen 
  • Merchandising und Produktentwicklung 
  • Zusammenarbeit mit der Spieleindustrie (Spieleinhalte knüpfen oft an historische Ereignisse an) und dem eSport 
 

Johanna Pirker ist seit November 2022 Professorin am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie unter anderem zu Multimedia-Programming und Human Computation lehrt. Zusätzlich ist sie Assistenzprofessorin für Spieleentwicklung an der TU Graz und leitet das GameLabGraz. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung von Spielen und VR-Erfahrungen sowohl für den Entertainmentbereich als auch speziell für Bereiche außerhalb von Entertainment. Johanna Pirker hat in der Branche als QA-Testerin bei EA angefangen und berät immer noch Studios im Bereich der Spieleforschung. 2011/12 begann sie mit der Erforschung von VR-Erfahrungen am Massachusetts Institute of Technology. Innerhalb der Computerspielbranche ist sie vor allem bekannt als Initiatorin und Direktorin der Game Dev Days Graz, Österreichs größter Konferenz für Spieleentwick-ler:innen, sowie als Vortragende bei internationalen Konferenzen wie beispielsweise der GDC. Sie engagiert sich außerdem stark fü die Indie-Game-Development-Szene und Game-Jams. Johanna Pirker wurde in die „Forbes 30 Under 30“-Liste im Bereich Wissenschaft aufgenommen und mit dem Futurezone Women in Tech Award (2019), dem Kähe-Leichter-Preis (2020) und dem Hedy-Lamarr-Preis (2021) ausgezeichnet.

Eine Veranstaltung des #digiRoundtables, eine Initiative von Thomas Aigner, (Time Machine Organisation), Sabine Fauland (Museumsbund Österreich),  Manfred Gruber (Bundeskanzleramt, Smart Data & Softwareservices), Karlheinz Mörth (Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) / CLARIAH-AT), Robert Sablatnig (TU Wien: Institute of Visual Computing & Human-Centered Technology) & Walter Scholger (Universität Graz: Institut Zentrum für Informationsmodellierung – Austrian

#digiRoundtable is powered by Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.

Credits und Zusatzinfos: 


Weiterführende Artikel
 
A Teacher’s Guide to Surviving Fortnite (Aviles, techedupteacher.com, 2018)
Dieser Artikel beschreibt am Beispiel Fortnite, wie bei Schüler:innen beliebte Videospiele bedeutsam in den Unterricht eingebunden werden können, z. B. kann das Spiel Thema eines Schreibauftrags sein, im Kunstunterricht können Aspekte des Spiels aufgegriffen, oder im Sportunterricht kann ein Fortnite „Boogie Down“ Tanzwettbewerb durchgeführt werden. Der Artikel nennt außerdem verschiedene Beispiele für das Fach Mathematik (oder Physik), u.a. zu den Themen Winkel, Wahrscheinlichkeit, Strecken, Größen, Volumen und Brüche [zitiert nach digital spielend lernen].
 
Lorenz Prager. „Path Out“. Datenbank Games und Erinnerungskultur, Stiftung Digitale Spielekultur, 2022 
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