Ein Blick in die Ausstellung „IM-VOR-UM MUSEUM. Ferdinandeum gemeinsam neu denken“ – Foto: Daniel Jarosch
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„Fürs Museum wünsche ich mir …“
Den Besucher:innen eine Stimme geben

Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum hat 2024 einen Umbau begonnen, der mehrere Jahre dauern wird. Diese Veränderung bedeutet aber nicht nur ein Überdenken der bestehenden Räume und ihrer Funktion, sondern bietet auch die Chance, die Rolle des Museums in einem lokalen und internationalen Kontext zu reflektieren.
 
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, darf man nicht die Sichtweise der Nutzer:innen des Museums außer Acht lassen. „Wir sind Museen für Besucher*innen. Sie sind Mittelpunkt aller unser Überlegungen“, lautet eine zentrale Aussage im aktuellen Leitbild der Tiroler Landesmuseen.
Wie auch aus der neuen ICOM-Definition hervorgeht, will sich die Institution Museum verändern. Wir befinden uns inmitten dieses Wandels, „der die Personen und die Gemeinschaft ins Zentrum der Mission der Museen rückt und nicht die Dinge“. [1]

Die letzten Monate vor der Schließung des Ferdinandeums wurden als Testphase genützt: Von 23. November 2023 bis 31. Jänner 2024 fand das Forum Museum. Festival zum Aufbruch statt. Unter dem Begriff „Forum“ verstand man das Museum als Marktplatz und Treffpunkt von Menschen und Ideen; „Festival“ stand für ein vielfältiges, unterhaltsames und kostenloses Programm für alle Altersgruppen. Auch die Konzeption und Organisation des „Forums“ – mit über 80 Veranstaltungen – war ein Testfeld, weil es durch einen internen partizipatorischen Prozess mit Mitarbeiter:innen des Museums realisiert wurde.

Junge Besucher:innen nahmen bei Forum Museum ebenso einen wichtigen Platz ein. Die Kulturvermittlung des Ferdinandeums startete gemeinsam mit dem Innsbrucker Architekturbüro Baupiloten im Herbst 2023 einen Beteiligungsprozess mit Kindern und Jugendlichen aus den benachbarten Bildungseinrichtungen.

Im Zuge des Projekts IM-VOR-UM MUSEUM. Ferdinandeum gemeinsam neu denken erforschten insgesamt 53 Jugendliche zwischen 11 und 16 Jahren in mehreren Workshops die bestehenden Museumsräume und formulierten Ideen und Visionen für das neue Museum.
Folgende Fragestellungen wurden von ihnen bearbeitet: Wie wirken Architektur und Ausstellungsräume des Museums auf uns? Gibt es Lieblingsorte oder Orte, die nicht so behagen?

Es entstanden atmosphärische Collagen, die Rückschlüsse auf die Qualität verschiedener Räume im Museum gaben, und sogenannte „Transformatoren“, Objekte, welche die Wahrnehmung von Räumen spielerisch verändern können, und letztendlich „Erlebnismöbel“, 1:1-Prototypen aus Karton, die mit den Raumperspektiven experimentierten.
Die Ergebnisse dieser kreativen Auseinandersetzung waren als Ausstellung im Rahmen des Forum Museum im historischen Teil des Ferdinandeums zu sehen, der normalerweise Kunstausstellungen vorbehalten ist. Dort konnten die Besucher:innen auch die ausgestellten Objekte ausprobieren.

Ein zentraler Bestandteil des Projekts IM-VOR-UM MUSEUM waren die „Wünschepostkarten“. Wie der Name bereits verrät, war es die Intention dieser Karten, Wünsche für und an das „Ferdinandeum der Zukunft“ zu sammeln. Zwei offene Fragen waren zu beantworten: „Was möchtest du gerne VOR dem Museum erleben?“ und „Was möchtest du gerne IM Museum erleben?“. Die erste Frage bezog sich auf den Bereich vor dem Museumseingang, der vor allem von Passant:innen geschätzt wird, aber eindeutig ungenutztes Potenzial aufweist. Auf den Wünschepostkarten konnte man seine Gedanken in schriftlicher Form oder als Zeichnung hinterlassen. Zudem gab es die Möglichkeit, Alter und Tätigkeit bzw. Beruf anzugeben.

In den Wochen vor der Eröffnung der Ausstellung wurden von den am Projekt beteiligten Schüler:innen sowie von anderen Klassen aus Schulen in der Umgebung (VS Innere Stadt Innsbruck, Akademisches Gymnasium Innsbruck und BG/BRG Sillgasse) und von Studierenden der benachbarten Katholisch-Theologischen Fakultät Wünschepostkarten ausgefüllt. Auf diese Weise erreichten wir Menschen zwischen 6 und 30 Jahren, die nicht zu den „klassischen“ regelmäßigen Besucher:innen des Museums zählen. 
 
Die Karten wurden im Ausstellungsraum in Form einer „Wolke der Wünsche“ präsentiert und waren damit für alle greifbar. Natürlich konnten auch die Ausstellungsbesucher:innen mit einer Karte ihre persönlichen Wünsche an das Museum der „Wolke“ hinzufügen. So wurde wiederum eine ältere Personengruppe erreicht, die zu den traditionellen Besucher:innen des Museums zählt. 

Am Ende des Festivals erfolgte die Auswertung der 700 ausgefüllten Karten durch das Architekturbüro Baupiloten. [2] Das Altersbild der Teilnehmenden zeigt uns, dass es vor allem um die Wünsche junger Menschen geht. Der Großteil der Teilnehmenden (33 %) ist zwischen 11 und 14 Jahre alt. Insgesamt sind 61 % der Beteiligten unter 19 Jahre alt. Weitere 15 % sind zwischen 19 und 44 Jahre alt, während der Anteil von Menschen ab 45 Jahren nur 7 % darstellt.

Was haben sich die Teilnehmende nun gewünscht?
 
Das allgemeine Stimmungsbild der Antworten auf die Frage „Was möchtest du gerne VOR dem Museum erleben?“ zeigt deutlich, dass sich ein großer Teil der Stimmen (320 von 700) eine Verbesserung des Vorplatzes durch mehr Natur und eine ansprechendere Gestaltung wünscht: d. h. mehr Grünflächen, Wasserelemente (die insbesondere von jungen Leuten spielerisch erlebt werden könnten), mehr Aufenthaltsqualität. 
268 Stimmen wünschen sich Outdoor-Ausstellungen als Verknüpfung zum Inneren des Museums und 116 Stimmen eine verbesserte Informationsinfrastruktur vor dem Haus mit Hinweisen zu Ausstellungen. Barrierefreiheit am Haupteingang ist auch ein Thema.
159 Stimmen – besonders Erwachsene – äußerten den Wunsch nach einem lebendigen Vorplatz mit geselligeren Angeboten für alle Altersgruppen. Schlüsselwörter sind da: Begegnen, Mitmachen, Teilhaben, Interagieren und konsumfreier Ort. Für Jugendliche spielen hingegen „Action, Spiel und Spaß“ eine große Rolle, indem sie sich vermehrt Möglichkeiten für sportliche Tätigkeiten und andere Aktivitäten wünschen.

Und was möchtet man IM Museum erleben? An der ersten Stelle, mit 533 Stimmen der 700 Antworten, steht eine Verbesserung des Kunst- und Kulturangebots: Es wurden nicht nur konkrete Ausstellungsthemen erwähnt, sondern auch anregende und überraschende Elemente sowie gute Führungen für alle Altersgruppen. Soziale Aspekte liegen den Befragten mit 323 Stimmen besonders am Herzen: Gewünscht sind Interaktionen in Ausstellungen, beispielsweise in Form partizipativer Mitgestaltung oder spielerischer Elemente, und Interaktion mit anderen Besuchenden durch dialogorientierte Veranstaltungen.
Auch die Qualität des Museums als Wissensspeicher, -vermittler und -generator wurde stark betont. Das Museum soll informieren sowie zum Experimentieren und Erforschen einladen, interkulturelle Informationsveranstaltungen und kinder- und familienfreundliche Angebote anbieten sowie freien Eintritt für alle einführen.

Insgesamt 127 Stimmen wünschen sich eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Museum: Die Erwachsene denken hier an Sitzmöglichkeiten, während Kinder und Jugendliche sich über Spiel- und Sportelemente freuen würden. 
Mehr Informationsinfrastruktur ist ein Anliegen von 92 Stimmen: Insbesondere jüngere Befragte wünschen sich mehr Vermittlungsmedien, um Kunst besser verstehen und erleben zu können, und eine Art der Informationsvermittlung, die nicht nur an Erwachsene gerichtet ist. Barrierefreiheit ist auch im Museum ein Thema.

Die Ergebnisse dieser Erhebung sind ein Baustein der Anforderungen von Nutzer:innen an ein Gebäude. Sie liefern wichtige Ergebnisse, die unsere Diskussionen und die Entwicklungen rund um die Neukonzeption des Ferdinandeums in nächster Zeit anstoßen, unterstützen und reflektieren sollen.

Credits und Zusatzinfos: 

Fußnoten:

[1] Michele Lanzinger: „Von der Museumsdefinition zur Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft“, in: Museum Umsetzen, Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 17/2024, Universitätsverlag Wagner, S. 146, Innsbruck 2024.
[2] Die detaillierte Auswertung der „Wünschepostkarten“ ist in einem finalen Report ausführlich dokumentiert. Baupiloten (Hg.), IM-VOR-UM MUSEUM. Ferdinandeum gemeinsam neu denken. Dokumentation des partizipativen Projektes. Teil B, Innsbruck 2024.

Empfohlene Zitierweise
Laura Manfredi: „Fürs Museum wünsche ich mir …“ – Den Besucher:innen eine Stimme geben, in: neues museum 25/1-2, www.doi.org/10.58865/13.14/2512/2.
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