Ehrenamt ist auch eine ziemlich große Verantwortung
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Ehrenamt: Mitarbeiten, gebraucht werden, dabei sein dürfen
Von: Philipp Odelga (Universität Graz ), Graz

Vorweihnachtliches Arbeitstreffen im Stadtmuseum Judenburg. Bei Kipferln und Kaffee treffen sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter einmal monatlich, um die laufenden Arbeiten und Projekte zu besprechen, einander auf den neuesten Stand zu bringen und für die Zukunft zu planen. An diesem ersten Dezemberwochenende ist allerdings der Großteil entweder der Erkältungssaison oder dem Adventstress zum Opfer gefallen. So sind es nur Martina Raffler und ich, die mit dem Leiter des Museums Michael Schiestel über Vergangenheit und die Zukunft plaudern.

2018 feiert der Museumsverein Judenburg sein 70jähriges Bestehen, dazu erscheint im Sommer eine Publikation.
Genau das ist der Schwerpunkt von Martina Raffler. Mit ihrer Ausbildung als Informationsfachfrau mit dem Spezialgebiet Bibliothekswesen, dazu noch als Mitarbeiterin in der Bibliothek des Steiermärkischen Landesarchivs, ist sie zeitweise bei den Drucksorten des Museums, bei Satz und Layout beteiligt.

Wir nutzen die Gelegenheit für einen Rundgang durch das Museum und sprechen über die Objekte, unseren Anteil an der Museumsarbeit und was den Reiz an der Beschäftigung mit der Vergangenheit ausmacht.

Philipp Odelga: Martina, du hast Informationsberufe mit dem Schwerpunkt Bibliothekswesen an der FH Eisenstadt studiert, betreust die Bibliothek des Steiermärkischen Landesarchivs (momentan in Karenz) und machst nebenbei ein Geschichtestudium. Was hat dich hier ins Stadtmuseum gebracht?
Martina Raffler: Eigentlich habe ich mit Museen gar nichts zu tun (lacht). Naja, das ist jetzt schon einige Zeit her. Ich habe für die Matura eine Arbeit über die Ruine Eppenstein bei meinem Heimatort Weißkirchen geschrieben, dazu konnte ich dann die Bibliothek hier im Stadtmuseum nutzen, weil es hier wirklich umfassende Literatur zur Regionalgeschichte gibt und Michael Schiestel bzw. die anderen Mitarbeiter da großes Wissen haben. Ich war auch nicht die einzige aus meinem Jahrgang, die das so gemacht hat. Das Museum ist eine ganz wichtige Institution für alle die zu Judenburg und seiner Geschichte forschen. Diese Literatur und das Fachwissen müsste man sich sonst recht mühsam von mehreren anderen Bibliotheken und Stellen besorgen, hier ist alles zentral verfügbar und leicht zugänglich.
Jedenfalls hat mir hier die ganze Atmosphäre gefallen und irgendwie bin ich dann hängengeblieben. Man nimmt ein Kipferl mit und kommt einfach her. Ich habe dann auch schnell gemerkt, dass ich auch gebraucht werde, z. B. bei der Gestaltung von Plakaten und allen möglichen Drucksorten, mittlerweile habe ich bei mehreren Publikationen des Museums Satz und Layout gemacht.
Wie hat das bei dir ausgeschaut? Du bist ja selbst aus Judenburg, da bist du wahrscheinlich schon als Kind oft hierhergekommen.
Philipp Odelga: Jein, soweit ich mich erinnern kann, waren wir mit der Schule ein paar Mal hier, das große Stadtmodell ist mir in Erinnerung geblieben. Aber eigentlich bin ich auch erst über das Interesse an Geschichte in näheren Kontakt mit dem Museum gekommen. Ich habe 2015 meine Bachelorarbeit über zwei Denkmäler hier geschrieben, und dabei ebenfalls die tolle Bibliothek verwenden können, bzw. hat mir das Museumsteam geholfen. Später habe ich dann ein Praktikum gemacht und dabei das Plakatarchiv bearbeitet. Da reichen die Bestände bis in den Ersten Weltkrieg zurück und mich hat die materielle Dimension dieser Dinge fasziniert. Da gibt es ganz unterschiedliche Papierqualitäten, Trends bei der Schrift, bei dem Einsatz von Grafiken und so weiter. Gleichzeitig sind es auch tolle historische Quellen zum Wandel im Alltagsleben der Menschen. Solche Aspekte sind für mich natürlich ziemlich spannend und der niederschwellige Zugang zu diesen Originalobjekten und dem Fachwissen dazu sind auch ein ganz großes Plus. Jedenfalls bin ich dann auch wie du „einfach hängengeblieben“; weil ich mich wohlfühle, die Atmosphäre sehr anregend ist und ganz wesentlich auch deswegen, weil ich das Gefühl hatte, hier gebraucht zu werden. Ich finde, dass das Museum ganz wichtig für Judenburg ist, gerade weil sich die Stadt und die ganze Gegend durch den Strukturwandel so stark verändern. Dadurch dünnt sich alles aus und ich glaube, dass es das Haus ohne ehrenamtliche Mitarbeiter ganz schwer hätte, seine Aufgabe zu erfüllen.

Eine ziemlich große Verantwortung

Im ersten Stock des Stadtmuseums ist noch bis Februar die Fotoausstellung Stadt finden – Kindheit und Jugend in Judenburg zu sehen. Das Interesse daran ist groß, durch den hohen Besucherandrang sind einige der Fototafeln bereits etwas in Mitleidenschaft gezogen. Im Vorbeigehen steckt Martina Raffler einen losen Reißnagel fest und rückt die Bilder zurecht.

Philipp Odelga: Aha, du bist immer im Dienst!
Martina Raffler: Ja, das geht so nebenbei, auch die kleinen Arbeiten sind wichtig. Wobei … die Ausstattung instand zu halten oder auch Objekte von A nach B zu bringen, ist eigentlich gar keine kleine Arbeit und man muss auch wissen, womit man es jeweils zu tun hat. Zum Beispiel habe ich während meiner Anfangszeit hier einmal ein Krampus-Bild von Alfred Klinkan in eine Abstellkammer „weggeräumt“. Das ist dann sehr schnell aufgefallen und die Aufregung war natürlich groß. Aber das zeigt schon, dass man auch als freiwillige oder ehrenamtliche Mitarbeiterin eine ziemlich große Verantwortung hat. Du machst ja manchmal Führungen, dabei kann man ja auch viel falsch machen.

Philipp Odelga: Ich gebe mein Bestes! (lacht) Naja, es ist insofern einfach, als dass ich die Inhalte einerseits vom Museum selbst vorgegeben bekomme, andererseits ergibt sich sehr viel durch die Objekte und die Interaktion mit den Besuchern. Aber zum Beispiel war im Sommer eine Touristengruppe aus Australien hier und ich wurde kurzfristig gebeten, die Führung zu machen. Ich kann zwar ganz gut Englisch, aber diverse Fachbegriffe waren mir dann doch nicht so geläufig und ich habe ziemlich um Worte gerungen. Das war unangenehm, weil man für die Besucher natürlich auch das Museum repräsentiert. Es war dann aber letzten Endes recht lustig, weil die Gruppe und ich die Führung als eine Art Gemeinschaftsleistung gemacht haben und sie vielleicht sogar mehr mitgenommen haben, als wenn alles „wie üblich“ abgelaufen wäre. Solche Erlebnisse sind jedenfalls schön und eine große Motivation hier mitzuarbeiten. Bei deiner Arbeit spielt die Wirkung nach außen aber auch eine große Rolle.
Martina Raffler: Natürlich. Der Satz und das Layout eines Buchs oder der Schriftenreihen tragen ganz viel zur Wahrnehmung des Museums bei. Seit einiger Zeit gibt es auch Gedanken zu einer Art Corporate Design, wobei es natürlich nicht einfach ist, alle Ideen und Wünsche unter einen Hut zu bringen, das ist ein längerer Prozess. Bei solchen Dingen ist es sicher kein Nachteil, dass das Stadtmuseum keine große Institution ist, sondern wirklich ein Platz für alle die sich einbringen wollen. Das stelle ich mir in einem größeren Museum schwieriger vor, aber wenn es einmal passen sollte, würde ich natürlich auch dort mitmachen. Jedenfalls wenn ich den Eindruck habe, dass man mich braucht.
Philipp Odelga: Liebe Martina, danke für das Gespräch!


Credits und Zusatzinfos: 
Fotos: Philipp Odelga
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