Werk von Jonathan Meese
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Die letzten Tage der Oper

Oper ist für viele Menschen jene Kunstform, welche die tiefsten Emotionen auslöst und das Leben, wenn auch nur für einen kurzen Moment stillstehen lässt. 25.000 Opern-Aufführungen finden jährlich statt, gespielt werden in den meisten Häusern jedoch immer dieselben 50 Werke. Es stellt sich daher die Frage, welche Perspektiven kann die Oper heute noch bieten. 
 
Das Buch Die letzten Tage der Oper, dessen Titel von dem epischen Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus inspiriert wurde, sucht Antworten auf die Frage, wo das Genre Musiktheater heute im 21. Jahrhundert steht und in Zukunft stehen könnte. Ist Oper zu groß geworden und vom Aussterben bedroht? Ist sie heute der Dinosaurier, gegen den sie selbst in ihrem ursprünglich so innovativen, revolutionären Anspruch, angekämpft hat? Hat sie noch ausreichend künstlerische, kreative, politische Kraft und Energie?
 
Regen Diskussionsstoff mit Beiträgen unter anderem von bedeutenden Intendant:innen, Regisseur:innen, Sänger:innen sowie eine umfassende Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation der Kunstform Oper werden in diesem Buch geboten und ist somit eine Muss-Lektüre für Fachleute, Studierende und alle Opernfreund:innen. Der Sammelband, der rund 100 Essays in elf Kapiteln umfasst, möchte die Relevanz der Oper in der heutigen dystopischen Welt erörtern und einen Blick auf mögliche Entwicklungen des Genres in der absehbaren Zukunft werfen.
Autor:innen aus allen Wirkungsbereichen der Oper sowie kreative Köpfe aus Philosophie, Bildender Kunst, Architektur, Film und Schauspiel konnten für Beiträge zu diesem bedeutenden Diskurs gewonnen werden. Das Ergebnis sind Analysen, Liebeserklärungen, Schilderungen von Problemzonen und konstruktive Ansätze, kluge Essays und harte Kritiken, optimistische Einwürfe und pessimistische Abrechnungen. Durch alle Texte aber schimmern Liebe und Leidenschaft: Sie sind Plädoyers für eine schöne Zukunft der Oper.
 
„Ich bin nur an der Kunst interessiert, die die Ideologie einer Gesellschaft verändern kann, ... Kunst, die sich allein ästhetischen Werten verpflichtet, ist unvollständig“, leitet Marina Abramović das Kapitel „Kunst – Musikalische Bilder“, dass der Rolle der Bildenden Kunst in der Oper gewidmet ist. Sie plädiert: „... Regeln zu ändern, die Strukturen aufzubrechen und etwas frischen Wind in die Oper zu bringen ...“ und weiter „... es ist keine aussterbende, nur eine im Wandel begriffene Kunstform“.
 
Die gesellschaftliche Relevanz hat die Oper bis heute nicht verloren, aber es herrscht eine Einigkeit zum Handeln bei allen Beteiligten, um der Stagnation zu entkommen. Die Krise in der Oper wird in vielen Texten im Buch angesprochen und Innovation wird gefordert. Eine Reflexion auf die sozialen, politischen und kulturellen Entwicklungen ist für den „Dinosaurier Oper“ dringend notwendig, auch um die künftigen Generationen anzusprechen. „Die Oper muss sich permanent verändern, um lebendig zu bleiben“, schreibt Cecilia Bartoli in ihrem Beitrag in dem Buch.
„Nur über die Emotionen werden unsere Herzen geöffnet", plädiert Jonas Kaufmann für die Leidenschaft in der Oper, Tilda Swinton gesteht, „Oper sei das Halluzinogen meiner Wahl" und William Kentridge schwärmt „Musiktheater erwecke eine rätselhafte Sehnsucht, die nur in der Oper gestillt werden kann". 
„Wir dürfen dem Publikum nicht das geben, was es erwartet – sondern das, von dem es noch nicht weiß, dass es ihm gefallen wird“, empfiehlt Christian Lacroix in seinem Statement.
 
In dem Abschnitt „Per Sonare. Stimmen“ kommen u. a. Cecilia Bartoli, Jonas Kaufmann und Ioan Holender zu Wort. In „Opus. Musik und Wort“ finden sich Beiträge von Riccardo Muti sowie Mariss Jansons. Franz Welser-Möst und Bogdan Roščić setzen sich neben anderen Autor:innen im Kapitel „Ethos“ kritisch mit der Thematik „Gewissen und Macht“ auseinander. In dem Abschnitt „Auditorium“ beschäftigen sich Thaddaeus Ropac, Wolfgang Titze und andere bekannte Persönlichkeiten mit „Impuls und Wirkung“ in der Oper. Nikolaus Bachler und Matthias Schulz beleuchten „Die große Maschine“ und den Aspekt „Traum und Wirklichkeit“. In dem Diskurs „Die letzten Tage“ besprechen Laurie Anderson, Tilda Swinton und viele mehr die „Kunstwerke der Zukunft“.  Das Kapitel „Kunst – Musikalische Bilder“ widmet sich der Rolle der Bildenden Kunst in der Oper und namhafte Künstler:innen wie Marina Abramović, Robert Wilson, Georg Baselitz, William Kentridge und Shirin Neshat kommen zu Wort und sprechen über ihre Erfahrungen und Herausforderungen mit dem Genre Oper aus der Sicht der Bildenden Kunst.
Weitere künstlerische Beiträge zum Thema Oper finden sich in Form von Illustrationen von zeitgenössichen Künstler:innen wie Daniel Libeskind, Jonathan Meese, Robert Wilson und dem bekannten Bühnenbildner Richard Peduzzi.
 
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Kunstform Oper erhalten bleiben wird. Wie schon Alexander Kluge sagte „Oper ist ein Kraftwerk der Gefühle und sollte als solches keiner Mode unterworfen werden“, aber es gilt die Strukturen neu zu denken, Handlungsabläufe zu vereinfachen und es bedarf das Mitwirken von Handelnden, die eine Vision für die Zukunft des Genres Musiktheater und ein entsprechendes Engagement zur Umsetzung dieser haben. Oper darf nicht immun sein gegenüber Erneuerungsversuchen. 
Dieses Buch ist ein Beitrag zur kritischen Reflexion über die Gegenwart und Zukunft der Kunstform Oper und nach der Lektüre blickt man durchaus positiv in die Zukunft wie zum Beispiel Mariss Jansons: „Oper ist ein Universalkunstwerk. Oper ist die Nummer 1. Daher wird sie auch weiterleben.“ Eva Wagner-Pasquier schließt ihren Beitrag mit: „Die Zukunft der Oper hat längst begonnen“. Franz Welser-Möst ist tiefst überzeugt, „dass sie nicht von der kulturellen Bühne abtreten wird, solange es Menschen gibt, die sich auf sie einlassen und für sie brennen. „Machen wir die Türen gemeinsam auf, weit auf, rollen wir die roten Teppiche weit in die Communities hinaus“, plädiert Thomas Schmidt, „dann wird aus der Oper ein Ort der Zukunft“.

Credits und Zusatzinfos: 

Zum Buch

Herausgeber:innen: Christian Kircher, Geschäftsführer, Bundestheater-Holding GmbH, Wien, Gert Korentschnig, Journalist, Autor, Musikkritiker, Moderator und stellvertretender Chefredakteur, Kurier, Wien, Denise Wendel-Poray, Autorin, Herausgeberin, Journalistin und Kuratorin, Paris
 
Autor:innen: Marina Abramović, Laurie Anderson, Margery Arent Safir, Nikolaus Bachler, Cecilia Bartoli, Georg Baselitz, George Benjamin, Laetitia Blahout, Michael Boder, Stephan Braunfels, Andrea Breth, Manuel Brug, Jérôme Brunetière, Eleonore Büning, Joseph Calleja, Peter de Caluwe, Robert Carsen, Amira Casar, Pier Luigi Ciapparelli, Martin Crimp, Clément Cogitore, Alma Deutscher, Robert Dornhelm, Joanna Dudley, Bernhard Foccroulle, Axel Fuhrmann, Philipp Fürhofer, Beat Furrer, Peter Gelb, Stéphane Ghislain Roussel, Neal Goren, Georg Friedrich Haas, Sven Hartberger, Clemens Hellsberg, Markus Hinterhäuser, Ioan Holender, Mariss Jansons, Michael Jarell, Philippe Jordan, Christian Jost, Jonas Kaufmann, William Kentridge, Händl Klaus, Margit Klaushofer, Herbert G. Kloiber, Elisabeth Kulman, Aino Laberenz, Christian Lacroix, Jan Lauwers, Ulrich Lenz, Michael Lewin, Daniel Libeskind, Stéphane Lissner, Renaud Loranger, Michèle Losier, Christa Ludwig, Joana Mallwitz, Jonathan Meese, Sergio Morabito, Riccardo Muti, Alexander Neef, Shirin Neshat, Hermann Nitsch, Camilla Nylund, Christian Merlin, Katie Mitchell, Hans Ulrich Obrist, Jessi Parrott, Richard Peduzzi, David Pittsinger, Denis Podalydès, Karl Regensburger, Sophie Reyer, Madeleine Rohla-Strauss, Thaddaeus Ropac, Bogdan Roščić, Thomas Schmidt, Urs Schönebaum, Matthias Schulz, Valentin Schwarz, Gianmarco Segato, Nicholas Snowman, Tilda Swinton, Sita Thomas, Wolfgang Titze, Eva Wagner-Pasquier, Keith Warner,  Franz Welser-Möst, Robert Wilson, Linda Wong Davies, Alfred Wopmann, Barbara Zeisl Schoenberg, Franz Zoglauer
 
Bibliographische Daten 
Softcover, 16,5 x 24 cm, 488 Seiten ,90 Abbildungen, vierfärbig und schwarz-weiß
Skira Editore S.p.A, Mailand, 2022

45 €, auch erhältlich im Shop der Wiener Staatsoper.

Zitat
Susanne Susanka: Die letzten Tage der Oper, in: neues museum 24/3, www.doi.org/10.58865/13.14/243/5.
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