Hans Karlinsky 1929, Inv. Nr. 6081, Belvedere Wien Foto: Belvedere Wien
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Die Digitalisierung österreichischer Museen. Ein historischer Überblick

In den letzten drei Jahren häufen sich die Berichte zu Digitalem Museum, Digitalisierung von Angeboten, dem erweiterten Museum und Online-Sammlungen. Doch wie sind wir zu dem Punkt gelangt, wo wir heute sind? Im Zuge des Projektes Linking Viennese Art through Artificial Intelligence (livia-ai.github.io) haben wir uns mit der Entwicklung von digitalen Sammlungen auseinandergesetzt, um besser verstehen zu können, wie Digitalisierung an unterschiedlichen Museen in Wien über die Jahre hinweg umgesetzt wurde. Ziel der Untersuchung ist es, am Beispiel des MAK Museums für Angewandte Kunst, der Österreichischen Galerie Belvedere und des Wien Museums allgemeine Trends abzuleiten, aber auch Impulse zu benennen, die Veränderungen möglich gemacht haben. 
So unterschiedlich die Häuser erscheinen mögen, konnten wir im Laufe unserer Recherche drei Wellen der fort- schreitenden Digitalisierung erkennen. Als Quellen dienten uns Interviews mit (digitalen) Sammlungsleiter:innen, die Kunst- und Kulturberichte des Bundes, Rechnungshof- berichte, EU-Berichte sowie Evaluierungen. 

Erste Impulse

Der Einsatz von Computern in Museen hat eine lange Tradition und spätestens mit der Gründung des Ars Electronica Centers 1996 [1] oder auch dem Beginn des Schulprojektes museum@online 1997/98 ist die Digitalisierung in österreichischen Museen angekommen. Die erste größere Digitalisierungswelle ist am Anfang der 2000er-Jahre in österreichischen Museen erkennbar. Auslöser dafür war die Umsetzung des Aktionsplans eEurope 2002 der EU auf Bundes- ebene, der mit den ersten großen Förderungen für die Digitalisierung im Kulturbereich verknüpft war, die sogenannte eCulture Initiative als Teil der größeren eFitAustria-Initiative. Im Rahmen dieser Initiative wurde u. a. die Digitalisierung von ausgewählten Beständen der Bundesmuseen finanziert. Das Belvedere erhoffte sich beispielsweise durch die Förderung, alle Bilder und Stammdaten der Sammlungsobjekte des Museums bis 2005/6 digital erfassen zu können. Eine bemerkenswerte Entwicklung dieser Förderung war die gemeinsame Anschaffung der Museumsdatenbank „The Museum System“ (TMS) durch die drei Bundesmuseen Kunsthistorisches Museum Wien, Belvedere und Albertina, die heute noch immer mit dieser Datenbank arbeiten. 

Die Digitalisierung des Wien Museums hingegen liegt in einer strukturellen Änderung begründet: 2002 wurden die Museen der Stadt Wien aus der Magistratsverwaltung (MA10) ausgegliedert und als wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts konstituiert.[2] Die Sammlung selbst blieb allerdings im Eigentum der Stadt und wurde dem Wien Museum als Leihgabe übergeben.[3] Im Zuge der Übergabe wurde festgestellt, dass seit den 1950er-Jahren keine Inventur mehr stattgefunden hatte, was bis Ende 2007 zu erfolgen hatte.[4] Wenn auch im Trend der Zeit liegend, so beruhte die Digitalisierung anfangs weniger auf einem gewünschten Erneuerungsgedanken, sondern auf einem klaren Auftrag der Stadt Wien, eine Inventur aller Bestände zu machen.[5] 

Ein Charakteristikum der ersten Digitalisierungsbestrebungen in Österreich ist der Fokus auf die Verbesserung von Inventaren, wobei die technologischen Möglichkeiten mit den Bedürfnissen der Zeit gut zusammengepasst haben. In den Kulturberichten aus 2002 bis 2005 wird die Tätigkeit als „digitale Sammlungserfassung“ bezeichnet und zeigt einen Umstand auf, der vielen Museen ein Anliegen war: die genaue Bestandserfassung und Durchführung von Inventurmaßnahmen, wofür sich der Einsatz von Computerprogrammen statt analogen Inventaren anbot. 

Zugängliche Online-Sammlungen 

Der nächste Impuls ist 2010/11 zu bemerken, für den es wohl mehrere Gründe gab. Ein Bericht über die Zukunft der Digitalisierung in der EU hatte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten aufgefordert wurden, ihre Digitalisierungsagenden zu verstärken. In Österreich wurden diese daher innerhalb des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur als Informationsmanagement neu positioniert, das u. a. mit der strategischen Planung des Einsatzes von Informationstechnologien im Kulturbereich betraut wurde. Damit gingen neue Förderungen einher mit dem Ziel, Museen zu fördern, die vorher nicht gefördert wurden, wie etwa das MAK. Zu diesem Zeitpunkt hatte das MAK beispielsweise 25 Datenbanken, die im Rahmen der Fördermaßnahmen in einer Datenbank konsolidiert und vereinheitlicht wurden, ebenso wurde stärker auf Bildqualität geachtet.

Ein weiteres Ziel war die Gründung von Kulturpool, der als Schnittstelle zwischen der 2008 gegründeten Europeana und den österreichischen Museen und Sammlungen fungieren und die Datenweitergabe an Europeana unterstützen sollte. Bereits 2009 wurde in die Museumsordnungen des Belvederes und des MAK jeweils in § 5 (1) aufgenommen, dass sie entsprechend den Anforderungen des gesamteuropäischen Projekts Europeana inventarisieren und dokumentieren sollen. 
Ein ähnlicher Prozess fand auch auf städtischer Ebene statt: Während die Inventur der unterschiedlichen Sammlungen des Wien Museums ursprünglich noch in getrennten Datenbanken erfolgte, wurde diese nach dem Abschluss des Inventurprojekts 2009 zusammengelegt und in die neue MuseumPlus-Datenbank überführt. Zu einer weiteren Überarbeitung der Datenbank kam es im Zuge der Übersiedlung der ursprünglich neun Depots ins neue zentrale Museumsdepot in Himberg, die inklusive aufwendiger Vorbereitungsarbeiten von 2012 bis 2014 erfolgte.[6] Im Zuge dessen wurde alles digital erfasst und zahlreiche Datensätze wurden überarbeitet.[7] 

Diese zweite Digitalisierungswelle war geprägt von der Notwendigkeit, Sammlungen und Daten nach außen zu öffnen sowie interne und externe Zugänglichkeit zu ermöglichen. Durch die Öffnung und Verknüpfung von Daten durch Kulturpool ist der Aspekt der Datenqualität in den Vordergrund gerückt. Es musste intern verhandelt werden, welche Sammlungsbestände und welche Datenfelder offen gestellt werden sollten. Es wurde vermehrt auf Datenkonsolidierung, verbesserte Bildauswahl und die Gestaltung von Online-Auftritten geachtet. 

Digitale Transformation 

Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche macht es für die Institutionen notwendig, sich mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen und ist der Impuls für aktuelle Digitalisierungsprozesse. Neu ist dabei, dass die Digitalisierung nicht mehr nur die digitale Sammlung betrifft, sondern insbesondere die Kommunikation nach außen durch die Webseite und die sozialen Medien, aber auch die Gestaltung von internen Arbeitsprozessen und Systemen. Viele Entscheidungen in der dritten Digitalisierungs- welle wurden bereits 2019 und davor getroffen, ihre Umsetzung wurde durch die Pandemie allerdings beschleunigt. Den drei Museen unserer Studie ist gemein, dass die Digitalisierung nun über alle Abteilungen hinweg gedacht wird und somit nicht mehr das Thema ausschließlich der digitalen Sammlungsmanager:innen ist. Durch die digitale Transformation ist die Digitalisierung zu einem Quer- schnittsthema geworden, das alle Abteilungen gleichermaßen betrifft, wodurch viele Veränderungen für die Besucher:innen nicht wahrnehmbar sind. Am MAK wurde beispielsweise die Abteilung Digitales MAK geschaffen, in der die digitalen Agenden des Hauses koordiniert und der digitale Content gestärkt werden. Auch am Belvedere wurde von verstärkten abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppen erzählt, in denen digitale Maßnahmen abgestimmt werden. Für das Wien Museum war die temporäre Schließung des Hauses Anlass, sich dem Großprojekt „Sammlung Online“ zu widmen, wofür zunächst eine Digitale Strategie entwickelt worden war, die sämt- liche Abteilungen des Hauses in den digitalen Transformationsprozess integrierte. Das Wien Museum konnte im Herbst 2020 die neue Online-Sammlung mit 50.000 Objekten öffentlich zugänglich machen. Mit dieser Online-Initiative konnte das Wien Museum am  Höhepunkt der Corona-Krise mit einer neuen Online-Präsenz punkten, von der viele Museen nur träumen konnten. 

25 Jahre Digitalisierung, was nun? 

Seit den frühen Anfängen hat sich der Begriff der Digitalisierung stark gewandelt. Was zu Beginn synonym mit der Erstellung von digitalen Inventaren und der Schaffung von Online-Präsenzen verwendet wurde, ist nun gewachsen und umfasst viele interne Prozesse, infrastrukturelle Notwendigkeiten, aber auch die Schaffung von ganzheitlichen und inklusiven Besuchserlebnissen. Trotzdem nimmt die Online-Sammlung eine wichtige Rolle in der Gestaltung von digitalen Angeboten ein. Welche Funktion jedoch die Online-Sammlungen in der Gesamtstrategie der einzelnen Museen einnehmen kann, ist noch nicht besiegelt. Gerade der Umgang mit immer größer werdenden Datenmengen, Fragen der langfristigen Sicherung von Bild- und Objektdaten, gesellschaftlicher Verantwortung und nutzer:innenzentrierte Präsentation von großen digitalen Beständen werden die nächsten Jahre bestimmen. Ausgewählte Prozesse können durch Automatisierung und KI unterstützt werden, jedoch ist es dafür notwendig, interne Ziele und Visionen zu erarbeiten, damit Technologie lösungsorientiert, nachhaltig und dem Mission Statement der Museen entsprechend eingesetzt werden kann. 

Credits und Zusatzinfos: 

Anmerkungen 
1 Mehr zum international ausgezeichneten Projekt in der Presseaussenung [20.5.2023] 
2 Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft des Magistrats der Stadt Wien (Hg.), Kunst- und Kulturbericht der Stadt Wien, 2002 [20.5.2023]. 
3 Christian Kircher, „Komm wir bauen ein Depot! Die Genese eines Großprojekts“, in: Gudrun Ratzinger, Depot neu – Die Sammlung des Wien Museums zieht um, Wien 2015, S. 31. 
5 Bericht des Kontrollamts der Stadt Wien, Museen der Stadt Wien – Wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts, Prüfung der Gebarung der Jahre 2003 bis 2005, S. 16. 
6 Vgl. Michaela Kronberger, „Die Systematik der Sammlungsaufstellung als komplexe Aufgabe“, in: Ratzinger, 2015, S. 52–58; für eine genaue Beschreibung der Definition der neuen Standorte und der Vorbereitung für die Übersiedlung siehe: Frauke Kreutler, „Wo ist Septimia Lucilla? Die Datenbank als wichtiges Werkzeug bei der Übersiedlung“, in: ebda, S. 63–66. 
7 Gespräch mit Frauke Kreutler und Evi Scheller, 6.4.2022. 
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