
Eingang ins Pitt Rivers Museum
Dekolonialisierung im Pitt Rivers Museum, Oxford
Ein Best Practice Beispiel
Von:
Christiane Treichl ( Museologin und Kunsthistorikerin, Kitzbühel/Oxford)
In Museen weltweit befinden sich viele Objekte, die aus heutiger Sicht problematisch sind. Entweder aufgrund ihrer Geschichte oder der Art und Weise wie sie ihren Weg in die Sammlungen gefunden haben. Deswegen ist es unumgänglich, dass wir unsere Museen dekolonisieren. Aber wie kann dieser Prozess gelingen? Schließlich geht es bei diesem Konzept um weit mehr als politische Korrektheit oder um einen verzweifelten (zum Scheitern verurteilten) Versuch historisches Fehlverhalten wieder gut zu machen, sondern um gelebte Inklusivität und Diversität, die wir brauchen, wenn unsere Museen relevant bleiben sollen.
Die Richtlinien der Museums Association sind eine gute Basis für einen Fahrplan wie Museen dieser ethischen Verpflichtung nachkommen können. Die 10 Decolonising Principles, auf denen der Dekolonisierungsprozess fußen soll, sind Gerechtigkeit, Achtsamkeit, Mut, harte Arbeit, Beziehungsarbeit, Kreativität, Wertschätzung aller Formen von Wissen und Expertise, Verantwortung, die Idee der Neutralität hinterfragen sowie Privilegien eingestehen.
Da es sich um eine Umstrukturierung im großen Stil handelt, müssen wir auf allen Gebieten der Museumsarbeit einhacken: Diversität in der Ausstellungspraxis, beim Personal sowie bei Gremien und Ausschüssen, Einbindung des Publikums, Publikumsentwicklung, Perspektivenwechsel bei der Objektdarstellung, inklusiv gestaltete Museumstexte und Beschilderung, die Rolle der Digitalisierung in diesem Kontext, Transparenz beim gesamten Prozess, Repatriierung uvm.
Es gibt schon viele erfolgreiche Beispiele, aber dieser Beitrag wirft einen Blick auf das zu einer Universität gehörige Pitt Rivers Museum in Oxford.
Die Richtlinien der Museums Association sind eine gute Basis für einen Fahrplan wie Museen dieser ethischen Verpflichtung nachkommen können. Die 10 Decolonising Principles, auf denen der Dekolonisierungsprozess fußen soll, sind Gerechtigkeit, Achtsamkeit, Mut, harte Arbeit, Beziehungsarbeit, Kreativität, Wertschätzung aller Formen von Wissen und Expertise, Verantwortung, die Idee der Neutralität hinterfragen sowie Privilegien eingestehen.
Da es sich um eine Umstrukturierung im großen Stil handelt, müssen wir auf allen Gebieten der Museumsarbeit einhacken: Diversität in der Ausstellungspraxis, beim Personal sowie bei Gremien und Ausschüssen, Einbindung des Publikums, Publikumsentwicklung, Perspektivenwechsel bei der Objektdarstellung, inklusiv gestaltete Museumstexte und Beschilderung, die Rolle der Digitalisierung in diesem Kontext, Transparenz beim gesamten Prozess, Repatriierung uvm.
Es gibt schon viele erfolgreiche Beispiele, aber dieser Beitrag wirft einen Blick auf das zu einer Universität gehörige Pitt Rivers Museum in Oxford.
Wenn man das Pitt Rivers Museum betritt, hat man den Eindruck, dass die Zeit ein bisschen stehen geblieben ist. In einem beeindruckenden, neugotischen Gebäude wird hier seit 1884 die anthropologische und archäologische Sammlung der Universität Oxford beherbergt. Ursprünglich auf eine Schenkung des britischen Archäologen General Pitt Rivers (1827–1900) zurückgehend beläuft sich der Museumsbestand heute auf ca. 600.000 Objekte (Werkzeug, Schmuck, Waffen, Musikinstrumente, Masken, Textilien, Skulpturen, Kuriositäten). Die Präsentation der Ausstellungsstücke hat zwar noch viel von der viktorianischen Museumsästhetik, aber die Dekolonialisierung ist hier keineswegs spurlos vorübergegangen, auch wenn sie für Museumsbesucher:innen vielleicht nicht sofort evident ist. Objekte aus vielen Jahren der Kolonialzeit und aus unzähligen Kulturen wurden zusammengetragen; ein Porträt von James Cook, der britische Entdecker, dessen Reisen den Grundstein zum britischen Kolonialismus mitgelegt haben, überwacht die Sammlung; Waffen, die in zahlreichen Konflikten mitwirkten; Masken, gestohlen von unterworfenen Völkern. All das zeugt davon, dass dieses Museum seine kolonialen Verbindungen nicht abstreiten kann, sondern sie aufarbeiten muss.
Von 2017 bis 2020 hat die Museumsdirektorin Laura Van Broekhoven die Institution in ihrer Obhut einer internen Überprüfung unterzogen, auf der das aktuelle Dekolonisierungsprogramm aufgebaut ist. Die berühmten Schrumpfköpfe Tsantsas und andere menschliche Überreste mussten berechtigterweise sofort weichen und man versucht mit den betroffenen Kulturen Rücksprache über einen angebrachten Umgang mit diesen Objekten zu halten. Über 50 menschliche Überreste wurden bereits repatriiert und nach Kanada und den USA rückgeführt.
Von großer Bedeutung ist auch das Labelling Matters Project. Unter der Leitung von Marenka Thompson-Odlum identifiziert dieses Projekt problematische Sprache und Terminologien in sämtlichen Museumstexten, Datenbankeinträgen und Beschriftungen und entfernt oder kontextualisiert diese. Anstößige, beleidigende Ausdrücke werden eliminiert, eurozentrische Euphemismen müssen neutraler formuliert werden; Texte, die sich Klischees bedienen, werden neu verfasst; Fachsprache wird vereinfacht. Das gelingt selbstverständlich nur in einem kulturell diversen Forschungsteam, das bereit ist über die eigene Kultur intensiv zu reflektieren. Hierbei muss man sich mit Fremd -und Eigenwahrnehmung, Klischees, Vorurteilen, Privilegien, Kategorien und Konventionen auseinandersetzen und darf dabei keine Angst vor Kritik haben. Unter Umständen kann dies auch sehr unangenehm werden.
Das Projekt soll in einer permanenten Ausstellung münden, aber zwischenzeitlich kann man begleitende Podcasts online verfolgen. Überdies laufen am Pitt Rivers Museum international angelegte Provenienzforschungsprojekte, die umstrittene Sammlungen identifizieren und über die Zukunft der Objekte in diesen entscheiden sollen. Im Dekolonisierungsprozess erwähnenswert sind ebenso Workshops und Initiativen, die internationale Museumskommunikation und interkulturelle Beziehungen sowie Inklusion fördern. Hier soll mit Rethinking Relationships and Building Trust around African Collections ein Beispiel herausgegriffen werden. Das Forschungsprojekt unter der Leitung von JC Niala bringt Kurator:innenen, Museumswissenschaftler:innen und Künstler:innen aus Kenia, Nigeria und dem Vereinigten Königreich zusammen, um den richtigen Umgang mit der Afrikanischen Sammlung zu finden.
Von 2017 bis 2020 hat die Museumsdirektorin Laura Van Broekhoven die Institution in ihrer Obhut einer internen Überprüfung unterzogen, auf der das aktuelle Dekolonisierungsprogramm aufgebaut ist. Die berühmten Schrumpfköpfe Tsantsas und andere menschliche Überreste mussten berechtigterweise sofort weichen und man versucht mit den betroffenen Kulturen Rücksprache über einen angebrachten Umgang mit diesen Objekten zu halten. Über 50 menschliche Überreste wurden bereits repatriiert und nach Kanada und den USA rückgeführt.
Von großer Bedeutung ist auch das Labelling Matters Project. Unter der Leitung von Marenka Thompson-Odlum identifiziert dieses Projekt problematische Sprache und Terminologien in sämtlichen Museumstexten, Datenbankeinträgen und Beschriftungen und entfernt oder kontextualisiert diese. Anstößige, beleidigende Ausdrücke werden eliminiert, eurozentrische Euphemismen müssen neutraler formuliert werden; Texte, die sich Klischees bedienen, werden neu verfasst; Fachsprache wird vereinfacht. Das gelingt selbstverständlich nur in einem kulturell diversen Forschungsteam, das bereit ist über die eigene Kultur intensiv zu reflektieren. Hierbei muss man sich mit Fremd -und Eigenwahrnehmung, Klischees, Vorurteilen, Privilegien, Kategorien und Konventionen auseinandersetzen und darf dabei keine Angst vor Kritik haben. Unter Umständen kann dies auch sehr unangenehm werden.
Das Projekt soll in einer permanenten Ausstellung münden, aber zwischenzeitlich kann man begleitende Podcasts online verfolgen. Überdies laufen am Pitt Rivers Museum international angelegte Provenienzforschungsprojekte, die umstrittene Sammlungen identifizieren und über die Zukunft der Objekte in diesen entscheiden sollen. Im Dekolonisierungsprozess erwähnenswert sind ebenso Workshops und Initiativen, die internationale Museumskommunikation und interkulturelle Beziehungen sowie Inklusion fördern. Hier soll mit Rethinking Relationships and Building Trust around African Collections ein Beispiel herausgegriffen werden. Das Forschungsprojekt unter der Leitung von JC Niala bringt Kurator:innenen, Museumswissenschaftler:innen und Künstler:innen aus Kenia, Nigeria und dem Vereinigten Königreich zusammen, um den richtigen Umgang mit der Afrikanischen Sammlung zu finden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Pitt Rivers Museum ein erfolgreiches Dekolonisierungsprogramm durchführt und interessierte Museolog:innenen, die Inspiration für die eigene Institution suchen, hier fündig werden könnten.
Weitere Impulse findet man beispielsweise in der Onlinevorlesung des Courtauld Instituts: Looking Back, Looking Forward: Decolonising the Museum oder im Programm des Bristol Museums. Besonders das Projekt An Uncomfortable Truth bei dem zu brisanten Artefakten Podcasts produziert werden, in denen neue Perspektiven und Sichtweisen präsentiert werden, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Die vielen fruchtbringenden Initiativen in britischen Museen geben Hoffnung, dass wir auf einem guten Weg sind mit dem schweren Erbe, das sich in Museen weltweit befindet, adäquat umzugehen.
Zitat:
Christiane Treichl: Dekolonialisierung im Pitt Rivers Museum, Oxford. Ein Best Practice Beispiel. In: neues museum 23/1-2, www.doi.org/10.58865/13.14/2312/3.
Weitere Impulse findet man beispielsweise in der Onlinevorlesung des Courtauld Instituts: Looking Back, Looking Forward: Decolonising the Museum oder im Programm des Bristol Museums. Besonders das Projekt An Uncomfortable Truth bei dem zu brisanten Artefakten Podcasts produziert werden, in denen neue Perspektiven und Sichtweisen präsentiert werden, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Die vielen fruchtbringenden Initiativen in britischen Museen geben Hoffnung, dass wir auf einem guten Weg sind mit dem schweren Erbe, das sich in Museen weltweit befindet, adäquat umzugehen.
Zitat:
Christiane Treichl: Dekolonialisierung im Pitt Rivers Museum, Oxford. Ein Best Practice Beispiel. In: neues museum 23/1-2, www.doi.org/10.58865/13.14/2312/3.
Credits und Zusatzinfos:
Foto: Hugh Warwick (1), Ian Wallman (2)