
Chancen, Herausforderungen und praktische Anwendungen von Generativer KI in Museen
Zusammenfassung eines Webinars mit Sabine Singer, 2. Juni 2025, aufgezeichnet durch Sabine Fauland.
Von:
Sabine Fauland (Museumsbund Österreich), Online
ADA & Value-based Engineering als methodischer Kompass
Die rasante Entwicklung generativer KI bietet Museen enorme Chancen – aber auch neue Herausforderungen, die weit über Technikfragen hinausgehen. Museen stehen vor der Aufgabe, KI nicht nur als Werkzeug zu betrachten, sondern als Katalysator für institutionellen Wandel, Wertevermittlung und Teilhabe. Die zentrale Frage ist nicht: „Was kann KI?“, sondern: „Wie gestalten wir KI so, dass sie unsere Werte, Ziele und Zielgruppen bestmöglich unterstützt?“
Warum ein wertebasierter Ansatz?
Technologie ist nie neutral. KI übernimmt und verstärkt die Muster und Werte, die wir ihr mitgeben – bewusst oder unbewusst. Für Museen bedeutet das: Jede KI-Implementierung ist auch eine Entscheidung darüber, welche Institution wir sein wollen.
Value-based Engineering (VbE) bietet dafür einen strukturierten Entwicklungsprozess. Mit VbE können museale Werte, Zielgruppenperspektiven und institutionelle Ziele frühzeitig identifiziert und systematisch in Design, Entwicklung und Betrieb von KI-Anwendungen übersetzt werden.
Das ADA-Framework: Act, Design, Align
ADA ist ein methodischer Kompass, um KI-Projekte strategisch, partizipativ und ethisch fundiert zu steuern – unabhängig davon, ob das ursprüngliche KI-Projekt bereits nach ADA entwickelt wurde.
Das Framework lässt sich auch auf bestehende und geplante Projekte anwenden, um die KI-Implementierung auf Werte, Wirkung und Kontext abzustimmen.
Das Framework lässt sich auch auf bestehende und geplante Projekte anwenden, um die KI-Implementierung auf Werte, Wirkung und Kontext abzustimmen.
1. Act – Das „Why“: Ziel und Werte festlegen
- Warum setzen wir KI ein? Welchen Mehrwert wollen wir schaffen?
- Welche Werte und Zielgruppen sollen im Zentrum stehen (z. B. Teilhabe, Diversität, Zugänglichkeit, Wissenschaftlichkeit)?
2. Design – Das „How“: Lösung gestalten
- Wie gestalten wir die KI, sodass sie unsere Werte tatsächlich umsetzt?
- Welche Daten, Interaktionsformen, Stakeholder und Perspektiven müssen wir berücksichtigen?
Wie sieht der „richtige“ Systemprompt aus? (z. B. Sprache, Tonalität, Faktenbasis, Transparenz)
3. Align – Das „What“: Wirkung überprüfen und anpassen
- Stimmen die Resultate mit unseren Zielen und Werten überein?
- Wie holen wir Feedback ein und passen die KI-Persönlichkeit/den Prompt nach Bedarf an?
Systemprompt-Design & Persönlichkeit(en) von MuseumGPT
Die Entwicklung des Systemprompts ist der zentrale Hebel, um Werte, Ziele und Kontext ins KI-System einzuschreiben:
Wissenschaftlicher MuseumsGPT:
Wissenschaftlicher MuseumsGPT:
- Einsatz z. B. bei Rekonstruktionen, Sammlungsmanagement, wissenschaftlichen Recherchen
- Persönlichkeit: sachlich, präzise, kritisch, evidenzbasiert
- Prompt-Schwerpunkt: Quellenpflicht, klare Abgrenzung von Hypothese und Fakt, Nachvollziehbarkeit
Besucher:innen-GPT:
- Einsatz z. B. an digitalen Infopoints, Chatbots, Metaverse-Räumen
- Persönlichkeit: dialogorientiert, verständlich, empathisch, sprachlich inklusiv und ggf. spielerisch
Prompt-Schwerpunkt: Barrierefreiheit (einfache Sprache, Mehrsprachigkeit), aktives Zuhören, personalisierte Ansprache - Spezialisierte Rollen möglich: Ein Museum kann (und sollte!) mehrere GPT-Instanzen/Prompts für unterschiedliche Aufgaben und Zielgruppen entwickeln – je nach Use Case.
Mit Value-based Engineering (VbE) und ADA können diese Persönlichkeiten gezielt entlang der Museumswerte entwickelt und weiterentwickelt werden.
Konkrete Real-World Use Cases für GenAI im Museumskontext
(Nicht explizit nach ADA entwickelt – aber nachträglich ideal analysierbar und optimierbar!)
- Metropolitan Museum of Art (New York)
- Use Case: GPT-basierter Chatbot verkörpert eine historische Persönlichkeit, beantwortet Besucherfragen, integriert Kontext und Storytelling: >>> https://openai.com/index/the-met-museum/
- Übertrag auf ADA:
Act: Ziel: Besucheraktivierung, neue Zugänge schaffen
Design: Persönlichkeit/Prompt wurde für Unterhaltsamkeit & Historie getrimmt
Align: Feedback aus dem Museumsalltag dient als Kontrollmechanismus
- Salvador Dalí Museum (Florida)
- Use Case: KI lässt Besucher mit einer „Dalí“-Persönlichkeit sprechen (Audio, Text, Humor, Surrealismus): >>> https://thedali.org/exhibit/ask-dali/
- Übertrag auf ADA:
Act: Erlebnisorientierung, kreative Wissensvermittlung
Design: KI spricht im Stil Dalís, gibt aber nie falsche Tatsachen an
Align: Fortlaufende Evaluierung von Reaktionen & ethischen Fragen
- Smithsonian Institute / Art Recognition
- Use Case: GenAI hilft bei wissenschaftlicher Rekonstruktion, Datenanalyse, Provenienzforschung (vgl. MuseumNext: Revolutionizing Museums: How AI-Driven Data Analysis Is Changing the Game)
- Übertrag auf ADA:
Act: Wissenschaftliche Exzellenz, Authentizität
Design: Systemprompt verlangt Quellenkritik, Methodentransparenz
Align: Fachfeedback aus Kuratorium & Forschung
- University Museum of Zoology (Cambridge)
- Use Case: Besucher können mit ausgestorbenen Tieren chatten, jede KI hat individuelle Eigenschaften (>>> https://www.zoo.cam.ac.uk/news/museum-zoology-invites-visitors-chat-specimens-novel-ai-experiment)
- Übertrag auf ADA:
Act: Inklusion, niederschwelliger Zugang
Design: Systemprompt spiegelt Tierpersönlichkeit, altersgerechte Sprache
Align: Laufende Anpassung nach Besucherfeedback, z. B. für Kindergruppen
Praxisleitfaden: So profitieren Museen konkret von Value-based Engineering & ADA
- Beteiligung sichern: Workshops mit Team, Stakeholdern und ggf. Besucher:innen, um Werte und Ziele zu bestimmen.
- Prompt-Entwicklung als Wertearbeit: Anforderungsworkshops für Systemprompts, um Persönlichkeiten, Sprachregeln und Informationspolitik festzulegen.
- Iteratives Testen und Anpassen: Prompts/Persönlichkeiten im Alltag testen, Feedback einholen, systematisch auswerten und iterativ verbessern.
- Ethik-Checks & Qualitätssicherung: Regelmäßige Evaluation, ob die KI tatsächlich im Sinne der institutionellen Werte und Zielgruppen arbeitet.
Fazit
Der Einsatz von generativer KI im Museum ist weit mehr als die Einführung einer neuen Technologie. Mit Value-based Engineering und dem ADA-Framework wird KI zum Werkzeug, das nicht nur die Innovationskraft, sondern auch die Werte, die Identität und die gesellschaftliche Relevanz von Museen stärkt. Museen gewinnen so die Hoheit über ihre digitale Stimme und bleiben auch in der digitalen Transformation aktiv gestaltende Institutionen.
Für weiterführende Workshops, Templates oder Beratungsimpulse zur Systemprompt-Entwicklung und KI-Persönlichkeitsdesign steht die Methode offen zur Verfügung.